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Die Känguru Chroniken

Die Känguru Chroniken

Titel: Die Känguru Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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empört. »Ich hab des gekuckt wegen dem Auto, Mann. Wegen K.I.T.T.!«
    Das Känguru zieht an seiner Zigarre, blickt sich suchend um und flucht: »Wieso gübbsen hier keine Aschenbecher? Scheißladen.«
    Ich packe mich selbst am Genick und hebe meinen Kopf wieder von der Theke.
    »Und warste dann auch auf ’nem Hasselhoff-Konzert?«, fragt das Känguru.
    »Näh«, sage ich verächtlich. »Aber wenn das Auto ein Konzert gegeben hätte – da wäre ich hingegangen.« Ich trinke einen Schluck. »Tschiu, tschiu«, imitiere ich die klassischen K.I.T.T.-Geräusche. »Tschiu, tschiu – verstehste?«
    Das Känguru muss aufstoßen.
    »Hoff Hoff«, sagt es.
    »Na ja. So ungefähr«, sage ich und blicke mich in der Kneipe um. Angewidert hole ich mein Handy aus meinem halbvollen Bierglas. »Ich glaube, diese Zivilisation hat sich überlebt«, sage ich.
    »Wir sind wie Fische …«, sagt das Känguru.
    »Was?«

    Fünf Minuten vorher:
    »Freiheit?«, ruft das Känguru und steigt auf den Tresen. »Ihr fragt mich, was Freiheit ist?«
    Ich versuche darauf hinzuweisen, dass keiner gefragt hat, komme aber nicht durch.
    »Freiheit ist, nicht erreichbar zu sein!«, sagt das Känguru und lässt mein Handy in ein halbvolles Bierglas fallen.
    »Das schöne Bier«, murmle ich.
    »Süße Freiheit!«, ruft das Känguru.
    Ich stolpere zur Music-Box.

    »One morning in June some twenty years ago
    I was born a rich man’s son
    I had everything that money could buy
    But freedom – I had none«

    Das Känguru beginnt auf der Theke zu tanzen und singt aus tiefster Seele: »I’ve been lookin’ for …«

    Drei Minuten vorher:
    »Genau. Und wer ist schuld daran?«, flucht das Känguru und gönnt sich einen großen Schluck Bier. Beiläufig steckt es den Aschenbecher in seinen Beutel.
    »Der Kapitalismus?«, rate ich ins Blaue hinein.
    »Genau!«, ruft das Känguru und schiebt mir sein Handy hin. »Im Kapitalismus geht das perfekte Produkt nämlich einen Tag nach Ablauf der Garantiezeit kaputt.«
    »Is kaputt?«, frage ich.
    »Weißt du, was ich an dir mag?«, fragt das Känguru. »Du stellst immer so scheißintelligente Fragen. Da merkt man gleich, dass einer mitdenkt.«
    »Tu mein Bestes«, sage ich.
    »Darum will ich dir jetzt einen Gefallen tun«, sagt das Känguru. »Weißte, was Freiheit is?«
    »Nee«, sage ich.
    »Gib mal dein Handy«, sagt das Känguru.
    »Aber nich kaputtmachen«, sage ich.
    »Großes Pionierehrenwort!«, sagt das Känguru. Es leert sein Bier. »Bäh. Wassen des für ’ne braune Schlonze am Boden von meinem Glas?«

    Vier Minuten vorher:
    »So, jetzt erzähl«, sagt das Känguru. »Was bedrückt dich?«
    »Ach«, lalle ich. »Ich werd älter. Ich krieg ’nen Bauch, bin zu mittelmäßig, zu durchschnittlich.«
    »Also unter uns«, sagt das Känguru. »Du solltest an deiner Krise arbeiten. Die ist ziemlich durchschnittlich.« Es muss aufstoßen. »Schreib doch’n Buch.«
    »Ein Buch?«
    »Jo. ’nen Bildungsroman.«
    »Was?«
    »Nur so’n Vorschlag. Weil weißte, mir ist ein guter Titel eingefallen für so ’nen Bildungsroman.«
    »Ich höre …«
    »Volker hört die Signale.«
    »Hm.«
    »Weil weißte, der Protagonist, den müssteste denn halt Volker nennen.«
    »Und der hört die Signale.«
    »Genau.«
    »Dass alles vor die Hunde geht?«, frage ich.
    Das Känguru wirft drei Schnapspralinen in sein Bierglas.
    »Genau! Und wer ist schuld daran?«

    Sechs Stunden vorher:
    »Kommste noch kurz mit in die Kneipe?«, fragt das Känguru.
    »Aber nur kurz«, sage ich.

Ich laufe durch die Stadt auf der Suche nach dem Gespenst des Kommunismus. Seit wir uns letztens über der Frage »Wer ist besser: Beckmann oder Kerner?« zerstritten haben, hat es sich nicht mehr bei uns blicken lassen. Die kalte Nachtluft hat mich etwas ernüchtert. Es ist immer noch dunkel. Das Känguru habe ich auf seinen eigenen Wunsch hin unter der Theke liegen lassen. Der Regen fällt schwer und bedrohlich in die menschenleeren Häuserschluchten. Plakate auf den Bauzäunen kündigen ein Konzert einer Tito & Tarantula Coverband an: »Heute Abend. Live im Einkaufszentrum.« Ich biege in eine kleine Seitenstraße ein, die sich als Sackgasse entpuppt, und merke zu spät, dass ich in einen Hinterhalt geraten bin. Eine junge, hübsche Studentin lauert mir auf und bedroht mich brutal mit einem Fragebogen: »Hallo! Ich arbeite für das statistische Bundesamt in Wiesbaden!«
    Ich reagiere blitzschnell. Wie es mir in dem VHS-Kurs

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