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Die Känguru-Offenbarung (German Edition)

Die Känguru-Offenbarung (German Edition)

Titel: Die Känguru-Offenbarung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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Größenwahn, mich als Stimme der Band ersetzen zu können.«
    »Ich habe schon viel von dir gehört«, sage ich und gebe Manfred die Hand.
    »Kann ich von dir nicht behaupten«, röchelt er.
    »Hast du gewusst, dass der weltweit führende Raspelhersteller sich von Manfred das Recht erworben hat, mit dem Satz werben zu dürfen: ›Ein Reibeisen, so rauh wie Manfred Festingers Stimme‹?«, fragt das Känguru.
    »Im Ernst?«, frage ich.
    »Ganz im Ernst«, sagt das Känguru. »Und das verstehe ich immer nicht … Menschen, die alles haben, Erfolg, Geld, Ruhm. Warum verkaufen die sich an Raspelhersteller, McDonald’s, Milchschnitte oder Slipeinlagen? Das ist doch einfach peinlich. Das ist der wahre Skandal, die wahre Prostitution.«
    »Pass bloß auf«, röchelt Manfred. »Wegen solchen Sprüchen biste damals aus der Band geflogen.«
    »Du bist aus der Band geflogen?«, frage ich.
    »Das ist Manfreds krude Sicht der Dinge.«
    »Das Beuteltier ist aus der Band geflogen«, sagt ein ziemlich fertiger Typ, der auf der Couch hängt.
    »Darf ich vorstellen«, sagt das Känguru. »Das ist Pierre. Der hat früher Gitarre gespielt, jetzt spielt er Computer …«
    »Du bedienst die Synthesizer?«, frage ich.
    »Nein, Mann«, sagt Pierre benommen. In jeder Hand hält er eine brennende Zigarette. »Hast du dem Beuteltier nicht zugehört? Ich spiele auf der Bühne Computer. Ich zocke World of Warcraft. Die Musik kommt irgendwo anders her. Keine Ahnung, woher. Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört, mir diese Frage zu stellen.«
    Das Känguru deutet auf den Dritten im Bunde.
    »Und das ist Ekkehard, der kann immer noch nur Bass spielen.«
    Ich lächle freundlich.
    »Da fällt mir ein alter Witz ein«, sage ich. »Wie nennt man die Leute, die immer mit Musikern rumhängen?«
    Ekkehard sagt nichts.
    »Bassisten«, sage ich lachend.
    Ekkehard sagt nichts.
    »Ekkehard redet nicht so viel«, röchelt Manfred.
    »Bill Withers hat mal seinen Bassisten mit den Worten vorgestellt: ›Melvin ist so still, er hat letztes Jahr acht Worte gesprochen. Sechs davon waren Airport.‹«, sage ich.
    »Bist du Comedian?«, fragt Manfred.
    »Nein, das ist Marc-Uwe«, sagt das Känguru. »Er ist …«
    »Nicht«, flüstere ich.
    »… Kleinkünstler.«
    Ich seufze.
    »Wow. Kleinkünstler«, sagt Pierre amüsiert. »Jonglier uns doch mal was vor.«
    »Da fällt mir ein alter Witz ein«, röchelt Manfred. »Kommt ein Kleinkünstler zum Arzt, sagt der Arzt: ›Es tut mir leid, aber Sie haben nur noch zwei Monate zu leben.‹ Sagt der Kleinkünstler: ›Aber wovon denn, Herr Doktor, wovon denn?‹«
    Ekkehard lacht kurz und laut.
    »Und wie gefällt euch das Land?«, versuche ich das Thema zu wechseln.
    »Wo sind wir noch mal?«, fragt Pierre.
    »Mir egal«, sagt Manfred. »Überall sieht’s gleich aus. Man landet an den immer gleichen Flughäfen, schläft in den immer gleichen Hotels, spielt in den immer gleichen Stadien, führt die immer gleichen Gespräche und am Ende des Tages kommt irgendein Typ in die Garderobe und sagt: ›Die Limousine wartet!‹, und dann fängt alles von vorne an. Alle beneiden einen immer um das Rockstarleben, aber genauso gut könnte der Typ rufen: ›Heute ist Murmeltiertag!‹«
    »Ich habe gerade nicht aufgepasst«, sagt Pierre und zündet sich zwei neue Zigaretten an. »Wo sind wir?«
    »In Vietnam«, sagt das Känguru.
    »Vietnam?«, fragt Pierre aufgeregt. »Ist da nicht Krieg? Da ist doch Krieg!«
    »Ganz ruhig«, röchelt Manfred. »Das war nur der Film, den wir im Flugzeug gesehen haben.«
    Nach einer Weile unangenehmen Schweigens frage ich Pierre: »Warum zündest du dir eigentlich immer zwei Zigaretten an?«
    »Ich hasse es, wenn ich die Hand zum Mund führe, und es ist keine Zigarette drin. Da ich mir aber nicht merken kann, in welcher Hand die Zigarette steckt … Du verstehst …«
    Pierre schließt mitten im Satz die Augen. Seine Hände sinken auf die Couch, und seine Zigaretten brennen Löcher hinein. Ekkehard drückt die Zigaretten mit den Fingern aus.
    »KENNT IHR DIESEN PINGUIN?!?«, ruft das Känguru plötzlich und zeigt das Passfoto. Ekkehard lacht laut auf. Jemand hat dem Pinguin einen roten Gummihandschuh auf den Kopf gemalt und unter das Bild geschrieben: »Have you seen this chicken?«
    Das Känguru blickt mich böse an.
    »Alter! Das war unsere wichtigste Spur!«
    Pierre reißt die Augen auf und starrt gebannt auf das Foto.
    »Was?!?«, ruft er. »Wo sind wir?«
    »Mir egal«, sagt Manfred.

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