Die Känguru-Offenbarung (German Edition)
Lecker.«
»Du weißt, dass die alle mit Antibiotika vollgepumpt sind?«, frage ich. »Fast die Hälfte der Weltjahresproduktion an Antibiotika wird Menschen verabreicht. Das Zeug isst du mit.«
»Ja, ja«, sagt das Känguru. »Dadurch entstehen Resistenzen mit potentiell katastrophalen Folgen.«
»Siehst du! Du weißt es! Durch die Massenmenschhaltung leiden die Leute übrigens alle unter Mobbing, Burn-outs und Break-downs. Die dadurch erzeugten Stresshormone, die isst du auch mit!«
»Ach, deswegen bin ich so gestresst. Und ich dachte immer, es läge am Kapitalismus.«
»Ganz zu schweigen von den unfassbaren Mengen an Menschengülle, die Böden, Wälder und Trinkwasser vergiften. Und außerdem ist die Menschenzucht zu einem Großteil für den klimaschädlichen CO2-Ausstoß verantwortlich.«
»Hättest du denn etwas dagegen, wenn ich an einem fair gehandelten Biobauern aus der Uckermark knabbere?«, fragt das Känguru. »Sagen wir, einmal die Woche?«
»Guten Appetit.«
»Es gibt übrigens sehr wohl auch Leute, die kein Fleisch essen, weil sie zum Beispiel glauben, das könnte ihre Großmama sein«, sagt das Känguru. »Zu denken, alle Vegetarier seien Vegetarier aus genau den deinen ethisch-moralisch-ökologischen Gründen, ist mal wieder sehr eurozentristisch. Im Übrigen … 11
11 An dieser Stelle habe ich das Kapitel um eine sechzehn Seiten lange Diskussion gekürzt. Man kann diese Diskussion nachlesen im sechzehn Seiten längeren Author’s Cut dieses Kapitels oder im einhundertachtundzwanzig Seiten längeren kommentierten Kangaroo’s Cut. (Anm. des Lektors)
Endlich sind wir an der Reihe.
»Ich hätte gerne einen Big Mac«, sagt das Känguru.
»Sie sind hier bei Burger King«, sagt der Junge hinter der Theke. »Sie müssen sich ein Produkt aus der Karte über mir aussuchen.«
»Hm«, sagt das Känguru. »Ach, sagen Sie, haben Sie eigentlich auch Burger mit Menschenfleisch?«
»Äh … kann schon sein«, sagt der Junge. »Keiner hier weiß genau, wo unser Fleisch herkommt … Aber wenn Sie etwas Besonderes wollen: Wir haben gerade unsere ›Australian weeks‹. Ich kann Ihnen einen Down-Under-Burger anbieten mit garantiert fünfzig Prozent …« Der Junge blickt das Känguru an. »… Koalafleisch«, sagt er.
»Boah, wie widerlich«, sagt das Känguru. »Das schmeckt doch bestimmt total nach Eukalyptus.«
Nach der Landung in Ho-Chi-Minh-Stadt haben wir uns völlig erschöpft in das erstbeste Hostel geschleppt und sitzen jetzt im zugehörigen Restaurant.
»Wir hätten laufen sollen«, sagt das Känguru. »Wir wären schneller hier gewesen.«
Ich habe die lokale Spezialität bestellt, mittelscharf, nehme einen Bissen und muss weinen. Das Känguru hielt sich für schlauer und hat Spaghetti bestellt. Ein noch größerer Fehler.
»Man sollte nicht glauben, was man bei Spaghetti mit Tomatensoße alles falsch machen kann«, murrt es. Neben der Jugendherberge ist ein McDonald’s, ein Starbucks und ein geschlossener Schlecker.
Gegenüber schließt gerade ein neuer Bubble-Tea-Laden.
»Vietnam ist ein bisschen wie ein Oasis-Konzert«, sage ich. »Man hätte 1994 hingehen sollen.«
»Quatsch! Vietnam ist wie ein Stones-Konzert«, sagt das Känguru. »Man muss 1973 dabei gewesen sein!« Es schlürft ein paar Spaghetti. »Ich hab noch dem Hubschrauber gewinkt …«
»Kuck mal!«, sage ich und deute auf ein großes Konzertplakat im Hostel.
Da steht: » KrankenHouse ! Live in Ho-Chi-Minh-City.«
»Ist das nicht deine alte Band?«, frage ich. »Das Nachfolgeprojekt von den Kranken Schwestern ? Die scheinen ja wirklich richtig erfolgreich zu sein. Ein Stadion …«
Das Känguru grummelt etwas Unverständliches.
Plötzlich flüstert es aufgeregt: »Duck dich!«, und verschwindet unter dem Tisch. Vielleicht hätte ich mich unter den Tisch geduckt, wenn das Känguru geflüstert hätte: »Dreh dich sofort um und kuck blöd!«
Ich habe mich nämlich umgedreht, und jetzt kucke ich blöd.
»Well! That’s just like, like – you know – AMAZING!«
Ich schließe die Augen. Als ich sie wieder öffne, hat sich Sarah, das fröhliche rothaarige Backpackermädchen, schon an unseren Tisch gesetzt. Das Känguru taucht mit verärgerter Miene wieder von unter dem Tisch auf.
»Oh! You too!«, sagt Sarah. »For a moment I thought you were kind of like, you know, well, kind of like, you know, well, kind of like, you know, well, kind of like, you know …«
Ich stupse sie leicht an.
»… well, like back in
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