Die Känguru-Offenbarung (German Edition)
nur metaphorisch gemeint«, sagt das Känguru. »Hast du alles aufgeschrieben?«
»Nein«, sage ich. »Verzeihung. Sag’s noch mal.«
»Wo hast du aufgehört zu schreiben?«
»Äh … lass mich kucken … ›und es hat sie diktiert seinem Knecht Marc-Uwe …‹«
Das Känguru packt mich am Kragen.
»Aber hast du wenigstens verstanden?!?«
»Nun ja«, sage ich. »Nicht zu hundert Prozent.«
»Was hast du verstanden?«
»Es ging irgendwie um den Pinguin«, sage ich.
»Ich sprach von der Tilgung des Individuellen! Von der Kolonisation der Lebenswelt durch Systemimperative! Vom Triumph der repressiven Egalität!«
»’tschuldigung, immer noch unklar«, sage ich. »Was hat der Pinguin vor?«
»Der Pinguin …«, sagt das Känguru und starrt mich wie wahnsinnig an. »Er will die ganze verdammte Welt in einen einzigen, riesigen Flughafen verwandeln!«
Durch übermenschliche Anstrengung unterdrücke ich einen irren Drang. Das Känguru blickt mich verwundert an.
»Was ist?«, fragt es.
»Ich … Ich muss es tun«, sage ich. »Sonst werde ich es mein Leben lang bereuen.«
»Was musst du tun?«
»Kannst du bitte den Satz mit dem Flughafen noch mal sagen?«, frage ich.
»Der Pinguin«, sagt das Känguru, »will die ganze verdammte Welt in einen einzigen, riesigen Flughafen verwandeln!«
TAMM TAMM TAAAAHHM!
Wir sitzen in dem Fast-Food-Laden um die Ecke und essen lauwarm gemachte Tiefkühlkost. Auf dem Deckel meiner Plastikschüssel steht, dass das Gericht zu meiner eigenen Sicherheit nur lauwarm sei. Das tröstet nicht. Das Känguru isst Spaghetti mit Fleischbällchen, ich esse Spaghetti ohne Fleischbällchen.
»Wenn erst die ganze Welt ein Flughafen ist«, sagt das Känguru, »wird Start und Ziel jeder Reise nur noch durch den leicht unterschiedlichen Akzent des englischsprechenden Bodenpersonals zu unterscheiden sein.«
Es schlürft ein paar Spaghetti in sich hinein.
»Hast du etwas über diese Insel hier herausfinden können?«, fragt es.
»Ja«, sage ich. »In einem Interview der Bildzeitung hat Jörn Dwigs vor einiger Zeit gefordert, die griechische Regierung solle Inseln verkaufen, um ihre Schulden bei der Deutschen Bank bedienen zu können. Und du weißt ja, je bescheuerter der Vorschlag, desto schneller wird er umgesetzt. Diese Insel hier ist die erste, die verkauft worden ist. Sie wurde aus dem griechischen Staatsgebiet herausgetrennt und befindet sich nun im Besitz eines internationalen Konzerns, welcher als Erstes neue Steuergesetze erlassen hat, nämlich keine.«
»Woher weißt du das alles?«
»Wikipedia.«
»Dreh dich sofort um und kuck blöd!«, flüstert das Känguru plötzlich und verschwindet unterm Tisch.
Ich drehe mich wie in Zeitlupe um. Ach, verdammt.
»AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAMMMMMMMMMMMMMAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAZZZZZZZZZZZZZZZZIIIIIIIIIIIIIIIIIINNNNNNNNNNNNNGGGGGGGGGG!«, ruft Sarah und setzt sich zu uns an den Tisch.
Das Känguru taucht kopfschüttelnd wieder von unter dem Tisch auf.
»Isn’t this place totally …«, beginnt Sarah.
Das Känguru steckt sich in jedes Ohr ein Fleischbällchen.
»… awesome. You know that John guy? He kind of had his revelation here or something. It’s kind of like, you know …«
»Yeah«, sage ich.
»So what’s up?«, fragt Sarah. »Still looking for that penguin of yours? Because I have just like – you know – seen a penguin …«
Das Känguru hält sich die Nase zu, schnaubt, und die Fleischbällchen fliegen aus seinen Ohren.
»Where?«, fragt es wild.
»It was like, kind of like, I don’t know, well, kind of like, wherever, you know?«
»Arrrrg!«, ruft das Känguru.
»Well, you know, sometimes you walk and then you kind of turn like this way …«
»Right!«, sagt das Känguru.
»Yeah! But sometimes you turn like that way …«
»Left!«, sage ich.
»Yeah! I was kind of, well like, in the middle of the island – it’s so awesome! – and there where those streets and stuff and buildings and such and this huge, well, tower …«
»When did you see him?«, brüllt das Känguru.
»Oh! It was like, I don’t know, like, you know, sometimes something happens before something else, kind of like …«
Aber das Känguru ist schon aufgesprungen. Sarah ruft ihm hinterher: »See you later, alligator!«
»It’s a kangaroo«, sage ich.
Neben uns sitzt eine amerikanische Touristin mit einem Fleischbällchen in der Dauerwelle.
»Komische Leute«, murmle ich.
»Sprichst du zufälligerweise Deutsch?«, fragt Sarah. »Ach was!
Weitere Kostenlose Bücher