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Die Känguru-Offenbarung (German Edition)

Die Känguru-Offenbarung (German Edition)

Titel: Die Känguru-Offenbarung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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bekannt vor.
    Ein paar Rotschnabelpinguine laufen mit Tabletts voll Teewurstschnittchen durch die Menge. Alle Pinguine um uns herum greifen gierig zu. Um nicht aufzufallen, nehmen wir auch welche. Ich rieche nur daran und muss fast brechen. Als ich mich unbeobachtet fühle, werfe ich das Schnittchen schnell über meine Schulter.
    Es ertönt eine Fanfare. Auf der Videoleinwand sieht man nun die Rückenlehne eines Drehsessels. Der Sessel schwingt herum. Darin sitzt ein Kaiserpinguin. Zufälligerweise spricht er deutsch.
    »Guten Abend, Konzernangehörige! Naknak.«
    Eine schwarze Perserkatze springt auf seinen Schoß. Er streicht mit seiner linken Flosse über ihren Rücken.
    »Wir grüßen Sie, Controller der Controller«, antwortet ihm die Menge.
    »Wie Sie ja alle wissen, naknak, ist es unser bösartig-neoliberaler Weltverwertungsplan, die ganze Welt in einen riesigen Flughafen zu verwandeln«, sagt der Kaiserpinguin. »Das soll keine Metapher sein!«
    TAMM TAMM TAAAAHHM!
    »’tschuldigung, ’tschuldigung«, flüstere ich aufgeregt. »Das war aus Versehen. Die Bildschirmsperre war nicht drin.«
    Das Känguru legt den Zeigefinger auf seine Lippen. Ich schweige. Im Großraumbüro ist es totenstill. Unzählige Pinguine haben sich zu uns umgewandt und funkeln uns mit ihren schwarzen Augen böse an.
    Z E H N M I N U T E N S P Ä T E R
    »Krass, dass du uns da unbeschadet rausgekriegt hast«, sage ich, als wir wieder auf der Straße stehen.
    »Ja«, sagt das Känguru.
    »Wer nicht dabei gewesen ist, wird es nicht glauben.«
    »Nee.«
    »Man könnte es erzählen, und niemand würde es glauben.«
    »Nee.«
    »Da es eh keiner glauben würde, braucht man es eigentlich gar nicht zu erzählen.«
    »Nee, braucht man nicht.«
    Das Känguru zieht einen Flachmann aus seinem Beutel und nimmt einen großen Schluck.
    »Wir waren wirklich von Pinguinen umzingelt«, sage ich.
    »Ja. Es sah schlecht aus.«
    »Ich meine, als du gerufen hast: ›Und jetzt zum Showteil!‹, da habe sogar ich nicht geglaubt, dass das funktioniert.«
    »Na ja«, sagt das Känguru. » I will follow him in der Sister-Act-Version … Dem kann man sich einfach schwer entziehen.«
    »Aber dass die Pinguine dann alle mitgetanzt und mitgesungen haben …«, sage ich.
    »Das hat auch mich überrascht.«
    »Nur der Chefpinguin war echt außer sich vor Wut.«
    »Haste den einen Pinguin gesehen?«, fragt das Känguru. »Mit dem Teewurstschnittchen auf dem Kopf?«
    »Komische Leute.«
    »Der ist echt abgegangen wie John Travolta.«
    »Die sind wahrscheinlich einfach so«, sage ich. »Tief in ihrem Herzen wollen die nicht Böses tun, sondern immer tanzen. Haste diesen einen Film nicht gesehen?«
    »Den mit den tanzenden Pinguinen?«
    »Ja.«
    »Nee.«
    »Ich kann immer noch nicht fassen, dass du recht hattest«, sage ich kopfschüttelnd. »Warum ein Flughafen? Was soll das?«
    »Überleg doch!«, sagt das Känguru. »Wir haben hier einen Haufen Vögel, die nicht fliegen können, und sie bauen sich einen Flughafen.«
    Ich schlage mir gegen die Stirn.
    »Das Ganze ist ein monumentaler Minderwertigkeitskomplex!«

»Dieses Kribbeln im Bauch, das man nie mehr vergisst,
als ob da im Magen der Teufel los ist.«
    Lieutenant Ellen Ripley
    »Achtung!«, ruft das Känguru. »Uniformierte Pinguine auf sechs Uhr!«
    Tatsächlich. Aus dem Tower stürzen ein Dutzend Königspinguine in Uniform.
    Wir rennen los, biegen links ab, in eine Straße, die aber leider, man hätte es ahnen können, nicht weitergeht. Am Ende der Sackgasse ist ein grauer, geschätzt vierunddreißigstöckiger Klotz. Über dem Hauptportal prangt die Aufschrift DÉJÀ-VU-CORPORATION BUSINESS SCHOOL, und auf einem Wappen sehe ich den Wahlspruch des Konzernstaats: WACHSTUM, WACHSTUM, WACHSTUM.
    Wir treten in die Business-School ein, weil uns nichts Besseres einfällt. Übrigens ein häufiges Phänomen. Das Schulfoyer ist leer. Wahrscheinlich ist gerade Unterrichtszeit. Unzählige brummende Klimaanlagen haben die Halle so weit heruntergekühlt, dass sich auf dem Boden eine Eisschicht gebildet hat. Jeder unserer Schritte ist unsicher. Die Pinguine, die uns verfolgen, lassen sich auf ihre Bäuche fallen und schlittern, mit ihren kleinen Beinchen strampelnd, hinter uns her. So auf dem Bauch sehen sie aus wie Sitzsäcke mit Flossen. Bösartige Sitzsäcke mit Flossen. Erstaunlich schnelle bösartige Sitzsäcke mit Flossen. Ich höre, wie scharfe Schnäbel nach meiner Achillessehne schnappen. Ungefähr ab der Mitte der

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