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Die Känguru-Offenbarung (German Edition)

Die Känguru-Offenbarung (German Edition)

Titel: Die Känguru-Offenbarung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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Kommst du etwa auch aus Deutschland? Äh … Hallo?!? Das ist ja irgendwie echt total großartig! Wo genau, also, du weißt schon, wohnst du denn?«
    »Berlin«, entfährt es mir, bevor ich nachdenken konnte.
    »Krass! Echt jetzt? Irre! Ich wohne auch in Berlin!«, ruft sie. »Das ist ja supergeil! Dann können wir uns ja immer, du weißt schon, irgendwie treffen, wenn wir dann wieder zu Hause sind!«
    Ich nehme das Messer vom Tisch und ramme es mir ins Herz.
    Leider ist es zu meiner eigenen Sicherheit nur aus Plastik.

Wir sind irgendwie, nun, in der Mitte der Insel halt – es ist so supergeil! –, und es gibt da diese Straßen und Zeug und Gebäude und so und diesen riesigen, nun ja, Turm.
    »Natürlich«, sagt das Känguru. »Der Turm zu Babel, die zwei Türme Orthanc und Barad-dur, der dunkle Turm, der Elfenbeinturm, der Glockenturm im Spielfilm Zurück in die Zukunft. Im Herzen der Geschichte steht immer ein Turm.«
    »Auch bei Rapunzel«, sage ich.
    »Halt die Klappe.«
    »Hör mal«, sage ich. »Ich finde deine Metapher mit dem Flughafen gar nicht so schlecht, was ich aber …«
    »Das sollte keine Metapher sein«, sagt das Känguru. »Ich glaube wirklich, dass der Pinguin die ganze Welt in einen riesigen Flughafen …«
    Es hält inne.
    »Was ist?«, frage ich.
    Das Känguru deutet die Straße hinauf.
    Da watschelt der Pinguin. Er biegt um eine Ecke und ist verschwunden. Wir rennen die Straße hinauf, vorbei an H&M und C&A, dm und Nanu-Nana, Mr. Clou, Ditsch, CinemaxX, O2, Plus, e-plus, Starbucks, Rossmann, Ihr Platz und Aldi, Dunkin’ Donuts und Esprit, Sparkasse, Lidl, Deutsche Bank und daneben ein letzter Punk, Le Crobag, Wiener Feinbäcker, McDonald’s, Tchibo, ein geschlossener Schlecker … 14
    14 Thomas Morus beschrieb Utopia übrigens als eine Insel mit vierundfünfzig Städten, die alle nicht nur in Sprache, Sitten, Einrichtungen und Gesetzen übereinstimmen, nein, sie sind auch noch alle genau gleich aufgebaut. Was daran 1516 so wünschenswert schien, ist aus heutiger Sicht kaum noch nachvollziehbar. (Anm. des Chronisten)14.1
    14.1 Klugscheißer. (Anm. des Kängurus)
    »Wo ist er hin?«, fragt das Känguru außer Atem. Wir bleiben stehen.
    »Keine Ahnung«, sage ich keuchend.
    »Da! Der Pinguin!«, rufen das Känguru und ich gleichzeitig.
    Das Merkwürdige aber ist, dass das Känguru nach rechts deutet und ich nach links. Das Känguru dreht sich nach links, ich drehe mich nach rechts.
    »Ach, du heilige Scheiße!«, sage ich.
    »Zwei Pinguine?!?«, ruft das Känguru.
    »Zwei Pinguine«, sage ich fassungslos.
    Da drängt sich ein dritter Pinguin zwischen uns hindurch und überquert die Straße.
    »Irre …«, sagt das Känguru.
    »Das erklärt einiges«, sage ich.
    Ein vierter Pinguin fährt in einer Limousine vorbei.
    »Verflucht noch mal«, sagt das Känguru kopfschüttelnd. »Wo kommen denn auf einmal die ganzen verdammten Pinguine her?«
    Mein Mund steht offen. Ich klappe ihn wieder zu.
    »Vielleicht«, sage ich, »vielleicht hat jemand die Kühlschranktür offen gelassen …«
    Ich sehe einen fünften Pinguin, einen sechsten, einen siebten. Pinguine in allen Größen und Mustern. Da sind viele Kaiserpinguine, die alle irgendwie aussehen wie unser Nachbar, aber auch Königspinguine, Dickschnabelpinguine, Gelbaugenpinguine, Goldschopfpinguine, Brillenpinguine, Haubenpinguine … Bald sind es mehr Pinguine, als ich zählen kann. Alle watscheln sie auf den Eingang des riesigen Turmes zu. Unsere Blicke gleiten an dessen verspiegelter Glasfassade entlang nach oben. Da prangt ein Logo und ein Slogan: » Déjà-vu-Corporation – We make everything kind of like everything else.«
    Als wir versuchen, den Turm zu betreten, lacht der dicke uniformierte Königspinguin am Eingang nur und deutet auf ein Schild. Da steht: »Penguins only.«
    Wir verschwinden aus seiner Sichtweite. Das Känguru zieht zwei Nonnengewänder aus seinem Beutel.
    »Hast du die im Kloster geklaut?«, frage ich.
    »Geborgt«, sagt das Känguru. »Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die noch nützlich werden könnten.«
    In die Gewänder gehüllt, mischen wir uns unter eine Gruppe Pinguine, die gerade vor dem Eingang des Turmes aus einem Tiefkühltransporter purzeln, und können ungehindert passieren. Wir folgen der Gruppe in ein riesiges Großraumbüro. Dort stehen unzählige Pinguine dicht aneinandergedrängt und starren stumm auf eine Videoleinwand, auf der Werbespots für Déjà-vu-Produkte laufen. Alle kommen mir irgendwie

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