Die Känguru-Offenbarung (German Edition)
Weihnachtsgeschenk für meine Frau.«
»Das ist doch total sexistisch!«
»Kannst du nicht einmal damit aufhören?«, fragt das Känguru. »Ich will auf etwas hinaus.«
»’tschuldige.«
»Also, er möchte so einen Staubsauger für seine Frau …«
»Kann er den Staubsauger nicht einfach für sich selbst haben wollen?«, frage ich. »Ist das mit der Frau wirklich wichtig für den Witz?«
Das Känguru seufzt.
»Der Mann denkt also: So ein Staubsauger, das wäre doch ein gutes Weihnachtsgeschenk für mich. Von mir. Er kann sich den Staubsauger aber nicht leisten.«
»Bekommt er keinen Mitarbeiterrabatt?«
»Was weiß ich«, sagt das Känguru. »Darum geht’s
nicht.«
»So was kotzt mich immer an«, sage ich. »Da werden die Leute ausgebeutet, und dann bekommen sie nicht mal einen Mitarbeiterrabatt.«
»Hör auf, mich zu unterbrechen!«
»’tschuldige.«
»Er kann sich den Staubsauger, den er für sich selbst haben möchte, also nicht leisten …«
»Weil er keinen Mitarbeiterrabatt bekommt«, sage ich.
»Weil er keinen Mitarbeiterrabatt bekommt«, sagt das Känguru. »Deshalb klaut er sich jeden Tag eines der Staubsaugerteile vom Fließband und nimmt es mit nach Hause. Aber wie er die Teile auch zusammensetzt – es kommt immer eine Kalaschnikow dabei heraus.«
»Du meinst, hier werden gar keine Klimaanlagen fabriziert?«, frage ich.
Und schon hat das Känguru die ersten Teile in seinen Beutel gesteckt.
Im Hotel setzt sich das Känguru sofort auf den Boden und bastelt eifrig mit den geklauten Teilen. Ich lasse mich völlig fertig aufs Bett fallen und schlafe sofort ein.
»Das da am Fließband«, sage ich, als ich wieder aufwache, »das war die anstrengendste halbe Stunde meines Lebens.«
Anstatt zu antworten, zielt das Känguru mit einem Gewehr auf mich.
»Peng! Du bist tot«, sagt es.
Ich trete näher. Tatsächlich. Ein Gewehr. Allerdings sieht das Gewehr so aus, als hätte jemand versucht, aus Teilen, die sich definitiv nicht zu einem Gewehr zusammenfügen lassen, mit aller Gewalt dennoch ein Gewehr zu bauen.
»Ich glaube nicht, dass man damit schießen kann«, sage ich.
»Nein«, sagt das Känguru zustimmend. »Wahrscheinlich nicht.«
»Was ist mit denen?«, frage ich und deute auf die unzähligen Teile, die noch unverbaut auf dem Bett liegen.
»Die passten nicht in mein Konzept.«
»Hast du mal versucht, eine Klimaanlage daraus zu basteln?«
»Ja«, sagt das Känguru. »Das hat funktioniert. So halb.«
»So halb?«
»Sie heizt.«
»Merkwürdig.«
»Morgen gehen wir wieder in die Fabrik«, sagt das Känguru.
»Warum sprichst du im Plural?«, frage ich.
»Wir schleichen uns in die Abfertigungshalle und lassen uns mit den Containern verschiffen.«
»Schon wieder Plural«, sage ich.
»Vielleicht benutzt es ja das königliche ›Wir‹«, sage ich. »Den Pluralis Majestatis.«
»Ja«, sage ich. »Mich kann es nicht meinen. Ich werde nicht mitkommen.«
»Schnick, Schnack, Schnuck!«, ruft das Känguru.
Das Känguru hat eine Schere und ich habe Papier.
»Warum lasse ich mich immer wieder darauf ein?«, frage ich. »Und warum mache ich immer als Erstes Papier? Ich mache immer wieder denselben Fehler. Ich bin genauso dumm wie ein SPD-Stammwähler.«
»Manchmal kann man nichts Aufmunterndes sagen«, sagt das Känguru, »weil es nichts Aufmunterndes zu sagen gibt.«
Vor zwanzig Minuten hat unser Schiff abgelegt.
Das Känguru kotzt über die Reling.
»Bist du seekrank?«, frage ich.
»Noch eine unnötige Frage, und ich knüpfe dich an den Hauptmast«, murrt es.
»Das ist kein Segelboot.«
»Dann stecke ich dich eben in die Schiffsschraube.«
»Diese latente Gewaltbereitschaft …«, sage ich. »Daran musst du wirklich arbeiten.«
Das Känguru kotzt noch mal über die Reling.
»Fische füttern heißt das ja im Fachjargon«, sage ich. »Was ist dein Lieblingsseemannsausdruck?«
»Jemanden über die Planke gehen lassen …«
»Immer locker bleiben!«, sage ich und blicke auf die Uhr. »Ich habe mit einem von der Crew gesprochen. Der Mann hat mir versichert, die Fahrt dauere nur noch neununddreißig Minuten, dreiundzwanzig Stunden, vier Tage und fünf Wochen.«
Auf das Schiff zu kommen war recht einfach gewesen. Der Chef der Reederei hat nämlich eine Geschäftsidee gehabt. Erlebnistourismus! »Das letzte große Abenteuer!«, stand auf dem Werbezettel. »Fahren Sie als Seemann an Bord eines Frachtschiffes aufs offene Meer. Für nur 999 Dollar werden Sie ein echter Teil der
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