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Die Känguru-Offenbarung (German Edition)

Die Känguru-Offenbarung (German Edition)

Titel: Die Känguru-Offenbarung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Uwe Kling
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Halle sind in Schlangenlinien Absperrgurte aufgestellt. Ein Pinguinleitsystem, das den Zugang zu den Rolltreppen regelt. Wir schlüpfen unter den Bändern durch, die Pinguine stehen auf und watscheln brav an den Bändern entlang. Das verschafft uns wieder einigen Vorsprung. Ich will die Rolltreppe betreten. Das Känguru hält mich zurück.
    »Wie du vielleicht schon festgestellt hast, läuft hier ein Horrorfilm«, sagt es. »Und was ist das Dümmste, was eine Person in einem Horrorfilm machen kann?«
    »Die Treppe hochrennen?«, frage ich.
    Das Känguru nickt. Es deutet auf eine unscheinbare Tür in unserer Nähe mit der Aufschrift: »Zutritt verboten.« Unter dem Türschlitz quillt warmer Dampf hervor. Das Känguru kramt in seinem Beutel nach einem Dietrich. Ich drehe am Knauf. Die Tür öffnet sich.
    »Ich habe mich schon immer gefragt, ob diese ›Zutritt verboten‹-Türen vielleicht nur durch das Schild verschlossen sind.«
    Wir treten ein. Drinnen ist es wohlig warm. Eine lange Treppe führt nach unten. Das Känguru hüpft los.
    »Ich weiß nicht, ob die Treppe in den Keller runterrennen wirklich so viel schlauer ist«, sage ich, folge ihm aber. Als wir unten ankommen, stehen wir vor einer ganzen Reihe der merkwürdigen Klimaanlagen, denen wir hierher gefolgt sind. Ich gehe näher ran. Da ist eine Plexiglasscheibe, gleich denen, in die ich Löcher gestanzt habe, und dahinter liegt etwas großes Weißes.
    »Das sind gar keine Klimaanlagen«, sage ich entsetzt. »Das sind …«
    »… Brutkästen«, sagt das Känguru.
    »In einem Film wäre das voll die dramatische Stelle«, sage ich. »Da würde jetzt die Kamera nach oben fahren, und man würde sehen, dass wir nicht in einem kleinen Raum stehen, sondern in einer Art Hangar, und dass es nicht nur ein paar Brutkästen gibt, sondern Tausende.«
    Ich mache einen Schritt zur Seite und betrete den Gang. Wir stehen in einer Art Hangar. In unzähligen Reihen stehen die Brutkästen nebeneinander.
    »Das müssen Tausende sein«, murmelt das Känguru.
    Ich blicke mich um. In wirklich jedem Kasten liegt ein Pinguinei.
    »And they come in little boxes and they all look just the same«, singe ich.
    »Was wir hier bräuchten, ist Sigourney Weaver mit einem Flammenwerfer«, sagt das Känguru. 15
    15 Um noch mal aus der Beschreibung Utopias zu zitieren: »Hühner ziehen sie in großer Menge auf, und zwar auf sehr sinnreiche Weise. Denn die Hennen brüten ihre Eier nicht selbst aus, sondern man bringt diese dadurch zum Leben, dass eine große Menge derselben einer gewissen gleichmäßigen Wärme ausgesetzt wird.« So ist das in Utopia. Merkwürdig, nicht? (Anm. des Chronisten) 15.1
    15.1 Hör auf damit. (Anm. des Kängurus)
    Ich trete zu einem der Kästen und starre auf das darin liegende Ei. Plötzlich bewegt es sich. Ein Ruck, ein Riss, und gleich darauf sehe ich einen kleinen Schnabel.
    Der Brutkasten macht BING, und mühsam befreit sich ein Pinguinküken aus den Eierschalen. Es starrt mich an.
    »Ach, du Scheiße!«, rufe ich. »Es ist unfassbar … niedlich!«
    Der Deckel des Kastens öffnet sich mit einem hydraulischen Zischen.
    »Kuck doch mal!«, rufe ich dem Känguru zu. »Es ist so niedlich!«
    Über uns höre ich ein fieses Geräusch. Eine Eisenkralle senkt sich von der Decke, schnappt das flauschige Küken an den Füßen und zieht es nach oben.
    »Die Kralle!«, schreie ich.
    Das Küken quietscht panisch.
    »Die Kralle ist unser Meister«, murmelt das Känguru. »Die Kralle bestimmt, wer geht und wer bleibt.«
    »Die Kralle! Sie bewegt sich!«, rufe ich entsetzt.
    »Meinst du, irgendwo über uns steht ein bösartiger kleiner Junge in einem Totenkopf-T-Shirt, einen Joystick in der Hand, und versucht, sich ein Kuscheltier zum Quälen zu angeln?«, fragt das Känguru.
    Die Eisenkralle mit dem Küken zieht langsam davon und bewegt sich auf die Mitte des Hangars zu. Wir rennen hinterher. Das Küken quietscht und zappelt wie verrückt, entwindet sich tatsächlich dem festen Griff und fällt auf den Boden. Es zittert und wimmert.
    »Wir müssen es retten!«, rufe ich.
    Kurzerhand nimmt das Känguru das Küken und steckt es in seinen Beutel.
    »Wir müssen es retten«, äfft es mich nach. »Junge, reiß dich zusammen.«
    »Auf diesen Ort müsste man mal die Animal Liberation Front aufmerksam machen«, sage ich und mache einige Fotos mit meinem Handy. Hinter uns höre ich scharfe Kommandorufe. Unsere Verfolger haben den Hangar erreicht.
    Das Känguru nimmt Anlauf, und mit

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