Die Känguru-Offenbarung (German Edition)
noch nicht, aber ich bin der Schneekönig des Asozialen Netzwerkes, Sektion Antarktis. Ich wollte euch meine Hilfe anbieten, falls ihr gerade in einer aussichtslosen Klemme stecken solltet und von diesem Eiland wieder verschwinden wollt.«
»Wie praktisch«, sage ich.
»Sektion Antarktis?«, fragt das Känguru.
»Wir sind eine kleine, aber stetig wachsende Gruppe von Pinguinen, die aus der Kralle gefallen sind.«
»Aber woher weißt du vom Asozialen Netzwerk?«, frage ich.
»Ich habe die Bücher gelesen«, sagt der Schneekönig. »Wobei ich sagen muss, dass mir das Ende vom zweiten Band gar nicht gefallen hat. Ein furchtbarer Cliffhanger.«
»Ja, ja«, sage ich. »Aber ich gebe zu bedenken …«
»Könntet ihr diese Diskussion vielleicht später führen?«, fragt das Känguru. »Es können doch jederzeit die beiden Sicherheitsleute an ihre Überwachungsmonitore zurückkehren.«
»Oh. Die kommen nicht zurück«, sagt der Schneekönig. »Die Wachhabenden wurden vor einiger Zeit wegrationalisiert. Es reicht ja, wenn die Überwachten glauben, dass sie überwacht werden.«
»Wie genau sollen wir eigentlich entkommen?«, fragt das Känguru.
»Ich muss hierbleiben«, sagt der Pinguin. »Aber ihr nehmt einfach die Riesenadler.«
»Wie bitte?«, frage ich.
»Hier«, sagt der Pinguin und wischt mit seiner Flosse auf einem der Touchscreens herum. Eine Überwachungskamera im Hafen zeigt uns ein Schiff. Ganz klein kann man den Namen lesen: Riesenadler .
»Ein Schiff?«, fragt das Känguru entsetzt.
»Ich weiß nicht, wo ihr hinmüsst«, sagt der Pinguin. »Die Riesenadler fährt nach Australien.«
»Passt schon«, sage ich.
»Dauert halt eine Weile. Ich hoffe, ihr werdet nicht seekrank«, sagt der Pinguin scherzend.
Eine einsame Träne der Verzweiflung kullert aus dem linken Auge des Kängurus.
HANDLUNGSLOCH
»Meine alte hatte zehn Megapixel. Die hier hat zwölf«, sagt Rudolf zu mir. »Aber jetzt gibt es schon eine mit vierzehn.«
»Aha«, sage ich. Wir fahren mit einer Rentnerreisegruppe durch Australien.
»270 Euro habe ich für meine bezahlt, jetzt kriegt man sie schon für 180.«
»Ja«, sage ich. »Schlimm.«
Tagelang fahren wir durch Australien. Die Klimaanlage funktioniert nicht. Ich habe sie mir angesehen. Sie hat in einem Plastikteil zwei Löcher, wo, glaube ich, nur eines sein dürfte.
»Meine Spiegelreflex hat damals achthundert gekostet. Mark waren das«, sagt Rudolf.
»Reichsmark?«, frage ich.
»Nein. D-Mark. D-Mark.«
Eigentlich fahren wir kaum mit dem Bus. Meistens sitzen wir im Bus und warten auf die Mitglieder unserer Rentnerreisegruppe, die die Zeit vergessen haben, die sich verlaufen haben oder die nach einem medizinischen Notfall wieder reanimiert werden mussten.
»Aber sie macht tolle Fotos«, sagt Rudolf. »Kucken Sie hier. Der Ayers Rock.«
»Ja«, sage ich. »Nur sagt man jetzt Uluru.«
»Und hier auch: der Ayers Rock.«
»Ja.«
»Hier auch.«
»Ja. Sieht fast genauso aus wie vor zehn Minuten, als wir noch davorstanden.«
»Und hier.«
»Ja.«
»Hier noch mal.«
»Sehr schön.«
»Hier der geschlossene Schlecker in Sydney.«
Ich lehne mich zum Känguru.
»Weißt du noch, als ich gesagt habe, lass uns ein Auto mieten, und du vorgeschlagen hast, dass wir, da unsere Finanzen ruiniert sind und der Verlag nichts mehr bezahlen will, einfach die supergünstigen Last-Minute-Plätze in der Rentnerreisegruppe durch Australien buchen sollen, und ich gesagt habe, das klingt wie ein Alptraum, und du gesagt hast, wieso, supergünstig und so schlimm wird’s schon nicht sein …«
»Ja, das war eine Fehleinschätzung«, sagt das Känguru. »Hör auf, darauf rumzureiten.«
Aber die Rentner sind nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist …
»Juti! Kommense rinn, könnse rauskieken. Alle wieder da. Weiter jeht’s! Weeßte? Kennste? Folgendit.«
… der berlinernde Reiseführer.
»Der Australier nennt diesen Felsbrocken ja Eiers Rock, weil er findet, dit sieht aus wie ein rießiget rotet Ei. Weeßte, kennste? Da möchte ick wirklich nich der Henne zu dem Ei bejegnen. Die jackert nämlich bestimmt noch lauter als meene Freundin.«
Alle Rentner lachen wohlwollend.
»Ich hasse Comedians«, sage ich.
»Meene Freundin übrijens, die hat ja letztens die Fernbedienung mit ins Schuhjeschäft jenommen …«
Als wir gegen Abend für eine der vielen halbstündigen Pinkelpausen halten, sagt das Känguru: »Bitte! Lass uns mal kurz verschwinden. Ich muss was rauchen, sonst halte ich das
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