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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Sultans« hatte frei machen müssen.
    »Herzlichen Dank für alles!«, sagte Johanna beflissen zu dem jungen Mann und ließ sich in einen der eleganten dunklen Ledersessel gleiten.
    »Die anderen Truhen haben wir in den Laderaum gepackt. Nur diese wollte Signorina Gül unbedingt hier bei Ihnen haben.«
    Er machte eine, wie Johanna fand, völlig übertriebene Verbeu gung in Richtung der Sklavin. Überhaupt hatte er etwas reichlich Affektiertes an sich, angefangen bei seinem hüftschwenkenden Gang bis hin zu der leicht säuselnden Stimme. Doch was machte das schon – Hauptsache, er überließ ihnen seine Kajüte und störte sie nicht weiter mit seinem Getue!
    »Wir erwarten Sie in einer Stunde zum Abendessen in der Kapitänskajüte«, verabschiedete sich der Erste Offizier mit einer anmutigen Handbewegung.
    »Lass uns erst mal sehen, was in den Truhen ist!«, schlug Johanna der Ungarin vor, als er endlich gegangen war.
    Gül hielt noch immer die Kabak-Kemane und den dazugehörigen Bogen in der Hand, als wollte sie sich daran festhalten. Immer wieder schniefte sie leise hinter ihrem dunklen Schleier mit dem Sehschlitz.
    Johanna, die nur ein Tuch um ihr Haar gebunden und darüber einen Gazeschleier geworfen hatte, legte sowohl ihre Kopfbedeckung als auch den leichten Mantel ab. Darunter trug sie einen seidenen Entari in leuchtendem Türkis. Auch der Salvar, die Pluderhose, und das Gömlek, ein langes Hemd, die sie unter dem Kaftan trug, waren in Türkis gehalten und mit zarten sandfarbenen Ranken verziert. Am Ausschnitt des Hemdes waren kleine Perlen auf die Ranken gestickt. Die türkische Kleidung war sehr bequem, und sie würde sie so lange tragen wie irgend möglich. Ihre eigenen Kleider hatte sie verschenkt, weil sie ihr nicht mehr passten. Unglaublich, wie sehr man zunehmen konnte, wenn man fast ein Jahr lang erst von Giuseppina und dann im Serail gemästet wurde! Sie wollte in Genua keine Zeit mit der Suche nach einem guten Schneider verschwenden; der erstbesten Reisegruppe über die Alpen würde sie sich anschließen, die Pässe waren ja sicher inzwischen frei von Schnee. Nur die türkischen Schuhe würde sie wieder gegen ihre eigenen eintauschen, vorausgesetzt, sie würde sie in einer der Truhen überhaupt finden. Um auf engen Schiffstreppen herumzubalancieren, schienen ihr die locker sitzenden Schnabelschuhe mit den hohen Absätzen denkbar ungeeignet.
    Gül hatte sich vor die größte der fünf Truhen gekniet, drehte den kleinen Schlüssel im Schloss herum und klappte den schweren Deckel auf. Sie hatte den Schleier zurückgeschlagen, sodass Johanna ihr blasses Gesicht sehen konnte, und schien sich wieder etwas gefangen zu haben.
    Was soll ich nur mit Gül machen?, fragte sich Johanna. Der Gedanke, eine Sklavin zu besitzen, war ihr alles andere als recht. Noch dazu eine, der sie kein bisschen vertraute. Aber freilassen konnte sie sie auch nicht, weil Zehra im nächsten Jahr vorbeikommen wollte, um sie wieder mit nach Konstantinopel zu nehmen. Außerdem brauchte sie in der Tat jemanden, der sich mit ihr zusammen um das ganze Gepäck kümmerte. Welche Reichtümer wohl in den Truhen schlummerten?
    Ordentlich und sicher für die Reise verpackt, sodass Stöße ihnen nichts anhaben konnten, fanden sich in der ersten Truhe mehrere Mokkamühlen, ein Samowar, zwei Wasserpfeifen und unzählige kupferne Schnabelkannen. Auch an die dazugehörigen kleinen bunt verzierten Gläser und Tassen hatte die Sultana gedacht. Nacheinander öffnete die ungarische Sklavin auf Jo hannas Geheiß die Truhen. Was da alles zum Vorschein kam! Johannas Begeisterung kannte keine Grenzen: ein großer Sack mit Kaffeebohnen, Kardamom, Ingwerknollen und zerriebenem Ingwer in einem Säckchen, farbenfrohe Teppiche und Kissen, Lampions mit wunderbarem buntem Glas, kleine mit Schnitzereien verzierte Hocker, mit Ornamenten und Koransuren bemalte Kacheln, schön geschmiedete Dolche, ein Krummsäbel, mehrere Stoffballen …
    In der letzten Truhe fanden sich die Geschenke für Johannas Familie und Freunde, an die Zehra Zettel geheftet hatte. »Warme Hausschuhe für Margarethe«, las Johanna mühsam, als sie ein Paar pelzverzierte Pantöffelchen in der Hand hielt. Ein fast identisches Paar, nur noch ein wenig kleiner, war für Lili bestimmt. Ein goldener Kaftan aus Atlasseide sollte für Elisabeth sein. Anne bekam einen roten Kaftan mit goldenen Punkten, der vorn durch Schleifen zusammengehalten wurde, und Sybilla einen pelzverbrämten Kaftan mit

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