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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Aufprall.
    Kaum hatte sie sich von dem Schrecken erholt, als ein erneutes Krachen ertönte, dicht gefolgt von einem noch viel heftigeren Ruck. Diesmal fingen sogar die Wände der Kajüte an zu beben. Die Gläser auf der Tafel fielen klirrend um, Teller polterten zu Boden. Die über dem Salontisch hängende Laterne schaukelte so wild hin und her, dass sie sich aus ihrer Verankerung löste und mitten auf der Wasserkaraffe landete. Nach einem kurzen Moment der Stille begann an Deck die Alarmglocke zu schrillen.
    Der nächste Stoß, der nicht lange auf sich warten ließ, donnerte den Albino gegen die Kabinentür, wo er in sich zusammensackte. Das Tablett mit den leeren Schüsseln, das er in den Händen gehalten hatte, landete wenige Handbreit neben Johanna auf dem Boden. Sie selbst war mit dem Oberkörper in die Scherben auf dem Tisch geworfen worden. Auch den Ersten Offizier hatte es übel erwischt: Aus seinem Sessel heraus gegen die Wand geschleudert, hatte er sich eine klaffende Wunde auf der Stirn zugezogen, aus der Blut strömte. Er schien das Bewusstsein verloren zu haben.
    »Entweder sind wir gegen einen Felsen gefahren, oder jemand hat uns gerammt.«
    Kapitän Barbosa, den es ebenfalls umgeworfen hatte, zog sich an der Tischplatte hoch und hob die Wasserkaraffe vom Boden auf. Mit dem Rest ihres Inhalts löschte er den kokelnden Teppich, den ein aus dem Kamin gefallenes Holzscheit in Brand gesetzt hatte. Seelenruhig fasste er das brennende Stück Holz mit der Feuerzange und warf es zurück in die auflodernden Flammen.
    In dem Moment wurde von außen an der Tür gerüttelt.
    »Kapitän Barbosa? Machen Sie auf!«, brüllte eine Stimme.
    Mühsam rollte der Schiffsführer den noch immer reglosen Albino zur Seite. Sofort flog die Tür auf, und ein wild gestikulierender Matrose stürmte in den Raum.
    »Piraten!«, rief der Mann mit sich überschlagender Stimme. »Sie haben uns mit ihrem Rammsporn aufgespießt. Jetzt sind sie dabei, uns an Tauen zu entern. Wir sind manövrierunfähig! Und vermutlich haben wir ein Leck.«
    »Bleiben Sie hier unten, Giovanna!«, befahl der Kapitän sofort. Seine joviale Heiterkeit war einem konzentrierten Ernst gewichen. »Sonst geraten Sie mitten ins Kampfgetümmel. Sollten wir tatsächlich ein Leck haben, hole ich Sie hoch. Dann heißt es, die Rettungsboote zu Wasser zu lassen. Wir sind nicht mehr weit von der sizilianischen Küste entfernt. Keine Angst, das wird schon!«, stieß er hastig hervor und folgte dem Matrosen, ohne einen Blick auf seine verletzten Leute zu werfen.
    Wäre ihr nicht so elend zumute gewesen, hätte Johanna bestimmt gelacht, wenn jemand »Keine Angst!« zu ihr gesagt hätte, während sein leckgeschlagenes Schiff von Piraten überfallen wurde, sein Erster Offizier ohnmächtig am Boden lag und auch der livrierte Oberkellner keinen Mucks mehr von sich gab. Sie fühlte, wie ihr schwindelig wurde. Eine Gehirnerschütterung? Ihr kleiner Finger stand merkwürdig verdreht von der linken Hand ab.
    Lauter Schlachtenlärm war nun von Deck zu vernehmen. Stampfende Schritte, die hin und her rannten. Klirrende Waffen. Ein vereinzelter Kanonenschuss, der offenbar von der Sirena abgefeuert wurde. Männerstimmen, die in unterschiedlichen Sprachen Kommandos brüllten. Schmerzensschreie, das Stöhnen von Verwundeten.
    Der Geruch von Schießpulver drang Johanna in die Nase, sodass sie niesen musste. Meine Truhen!, fiel ihr siedend heiß ein, als sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Die Schätze, die sie von der Schwester des Sultans mitbekommen hatte, waren alles, was sie hatte, um die Coffeemühle wieder aufzubauen. Zwar hatte sich Gül bisher wider Erwarten als äußerst zuverlässig erwiesen, ständig hatte sie nachgesehen, ob sich auch ja niemand an den Truhen zu schaffen gemacht hatte, ob alles noch da war; doch gegen Piraten konnte auch die blonde Ungarin nichts ausrichten. Und sie selbst vermutlich genauso wenig, aber sie durfte nichts unversucht lassen.
    Ein Tropfen rollte ihr von der Stirn auf die Nase. Als Johanna ihn abwischte und ihr Blick auf ihre Finger fiel, waren diese rot vor Blut. Kein Wunder, war sie doch mit voller Wucht in einen Haufen Scherben geschleudert worden! Zum Glück schien die Wunde nicht allzu tief zu sein, vergewisserte sie sich tastend. Mit letzter Kraft stemmte sie sich aus ihrer halb liegenden Haltung empor. Warum nur waren ihre Füße so nass? Wahrscheinlich stand sie in einer Minestrone-Pfütze, dachte sie, als sie die umgekippte

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