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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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schätzte seine ruhige, besonnene Art und die aufregenden Geschichten, die er zu erzählen wusste. »Alles nur Seemannsgarn«, wiegelte Carlo Barbosa dann bescheiden ab, wenn sie wieder einmal ihre Verwunderung zum Ausdruck brachte, was er alles schon erlebt hätte. Doch sie wusste, dass zumindest ein Teil der Abenteuer, die er zum Besten gab, ihm selbst widerfahren war. Das Leben an Bord war nun einmal rau und gefährlich, auch wenn ihre eigene Überfahrt bisher erstaunlich glatt verlaufen war.
    Johanna nahm dankend das Glas Rossese in Empfang, das der Kapitän ihr reichte, und schaute sich um. Sie liebte diesen Moment nach dem Essen, wenn Barbosa sie noch auf einen Wein am Kaminfeuer einlud. Die getäfelten Wände der Kajüte waren mit Tauen, die zu den unterschiedlichsten Knoten geschlungen waren, Rettungsringen und alten Steuerrädern dekoriert. In einer Vitrine war ein kleiner Nachbau der Sirena zu bewundern.
    Auf der mit weißem Leinen gedeckten Tafel standen noch die Überreste des üppigen Nachtmahls, das sie zusammen mit dem Kapitän und dem Ersten Offizier genossen hatte, das für ein Schiff viel zu teure Porzellan mit dem Silberbesteck und den hohen Kristallgläsern. Ob sie in der Coffeemühle auch ein »Kapitänszimmer« einrichten sollte?, begann Johanna unwillkürlich Pläne zu schmieden. Oder doch lieber ein orientalisches Boudoir, ähnlich den Räumlichkeiten, die sie im Sultanspalast kennengelernt hatte? Vielleicht konnte sie auch beides machen: das Kapitänszimmer vorn für die Herren, das orientalische Boudoir im hinteren Teil der Coffeemühle für die Damen …
    Lautes Stimmengewirr riss sie aus ihren Überlegungen. Auch Barbosa hob überrascht die Augenbrauen und stellte die Weinkaraffe, aus der er sich gerade hatte nachschenken wollen, rasch wieder auf den Salontisch zurück.
    » Madonna , was ist denn jetzt schon wieder los?«, brummte er verärgert. »Hier hat man aber auch nie seine Ruhe! Bestimmt sind die Jungs wieder dabei, eine Meuterei anzuzetteln!«
    Er lachte, wie um ihr zu zeigen, dass er die Sache nicht weiter ernst nahm, aber Johanna ließ sich von seiner heiteren Miene nicht täuschen. Seit sie Malta verlassen hatten, wo sie frisches Wasser und Nahrungsmittel an Bord genommen hatten, meinte sie, eine gewisse Unruhe bei den Seeleuten festgestellt zu haben. Der Geschützmeister, der sonst ebenfalls mit ihnen gegessen hatte, bewegte sich nun nicht mehr von seinem Posten fort. Sobald irgendwo ein weißes Segel gesichtet wurde, gerieten alle in helle Aufregung, und die Nachtwachen waren verdoppelt worden. »Piraten«, hatte der Kapitän Johanna schließlich auf ihr hartnäckiges Nachfragen hin erklärt. »An der nordafrikanischen Küste reiht sich ein Piratennest ans andere. Zum Glück sind wir gut bewaffnet, aber man kann nie vorsichtig genug sein.«
    Das hatte beruhigend klingen sollen, aber Johanna fühlte sich keineswegs in Sicherheit. Nicht nur ihre Angst vor dem Wasser machte ihr zu schaffen, sie musste ja auch ständig ein Auge auf ihre Truhen haben. Und nun zu allem Überfluss Piraten! Vorsichtshalber hatte sie sich von Gül sämtliche Schlüssel der Tru hen auf ein Lederband fädeln lassen, das sie nun wie eine schwere Kette immer um den Hals trug.
    Mit feierlicher Miene betrat der Oberkellner, ein Albino aus dem Senegal, den Raum, um die Teller abzuräumen. Johanna war wie immer sehr beeindruckt von seiner schneidigen Uniform und den weißen Handschuhen. Die unaufdringliche Eleganz, mit der er das Essen servierte und anschließend wieder abräumte, hätte sie sich von ihrem eigenen Gesinde auch gewünscht. Sosehr sie sich auch bemühte, es wollte ihr einfach nicht gelingen, sich Schosch in Uniform und mit weißen Handschuhen vorzustellen.
    Bemüht, ihr aufsteigendes Lachen zu unterdrücken, folgte Johanna den Ausführungen des Kapitäns. Er war bei seinem Lieblingsthema angelangt, dem Weinbau in Italien im Allgemeinen und in der Region Ligurien im Besonderen.
    »Wissen Sie, Giovanna, die Trauben in meiner Heimat sind mit denen in anderen Gegenden einfach nicht zu vergleichen. Ganz zu schweigen vom Terroir! Entscheidend ist natürlich auch …«
    Rums! Ein heftiger Ruck, der durch den ganzen Schiffsrumpf ging, unterbrach den Vortrag des Genuesers. Als wäre sie nur ein leichtes Federgewicht, wurde Johanna aus ihrem Sessel nach vorne gegen die Kante des schweren Salontischs geworfen. Unwillkürlich stemmte sie die Arme gegen das Holz. Ihr Unterleib schmerzte von dem

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