Die Kaffeemeisterin
Tulpenmuster. Für Schosch gab es einen roten Fez mit einer schwarzen Quaste und einer glitzernden Brosche, dazu einen Dolch. »Damit er Euch gegen Eure Feinde verteidigen kann«, hatte Zehra geschrieben. Ganz unten lag ein ledergebundenes Buch. Johanna konnte die arabischen Schriftzeichen auf dem Einband nicht entziffern und klappte es von hinten auf, wo für die Türken und Araber der Beginn war. »Dies ist die neueste Ausgabe von al-Idrisis berühmtem geografischem Werk aus dem zwölften Jahrhundert, dem Rogerbuch . Bitte gib es Deinem Freund Ludwig Haldersleben«, las sie ins Zehras Handschrift.
Als Letztes hielt Gül einen kleinen Sack in die Höhe und überreichte ihn Johanna. Neugierig tauchte diese ihre Hand in den Beutel und holte eine Handvoll klimpernder Goldmünzen heraus. Zwischen den Münzen steckte ein Zettel, auf den Zehra notiert hatte: »Für Deine Reise, damit Du schnell und sicher zu Deinen Töchtern kommst. Miete fünf Kamele und eine bewaffnete Truppe!«
Johanna war sprachlos. Immer wieder wog sie den schweren Sack in ihrer Hand, spielte mit den Goldstücken, ließ die Münzen gegeneinanderklimpern. Wie reich sie auf einmal war! Zehras Gold musste Unmengen von Gulden wert sein. Die Summe würde nicht nur reichen, um den Vormund ihrer Töchter ruhigzustellen, sondern sie würde damit auch ihre Gerechtigkeit zurückbekommen. Und die ganzen Gerätschaften, die Zehra ihr hatte einpacken lassen, würden zumindest als Erstausstattung für die neu einzurichtende Coffeemühle dienen können. Wer Geld hatte, setzte sich doch immer durch, dachte sie in einer Mischung aus Genugtuung und Resignation. So war das Leben nun einmal.
»Wir müssen das Gold sofort verstecken!«, sagte sie aufgeregt zu Gül.
Es durfte jetzt nichts schiefgehen. Sie musste diese Reichtümer unbedingt heil nach Frankfurt bringen! Mit ihrem Leben würde sie ihren neuen Besitz schützen, wenn es sein müsste!
Misstrauisch beäugte sie die ungarische Sklavin, während diese die Truhen nach einem geeigneten Platz absuchte, um das Gold darin zu verstecken. Konnte sie Gül trauen?, wog Johanna zum dutzendsten Male ab. Sie hatte sich schon einmal als Intrigantin erwiesen und hätte gleichmütig ihren Tod durch den Krummsäbel in Kauf genommen. Würde sich das untertänige, zugeknöpfte Mädchen nun als gerissene Diebin entpuppen, die auf den erstbesten italienischen Matrosen hereinfiel, der ihr schöne Augen machte? Um dann zusammen mit ihrem Lieb-haber und dem Gold durchzubrennen? Würde sie auf ihre stille Art vielleicht sogar eine Meuterei anzetteln? Nein, besser, sie fing gar nicht erst damit an, sich solche Szenarien auszumalen, riss sich Johanna zusammen, das würde sie nur unnötig verrückt machen.
Leise drang das Läuten eines Gongs zu ihnen in die Kabine. Gleich danach klopfte es. Nachdem Gül sich hastig verschleiert und Johanna den Hijab zugeworfen hatte, öffnete sie die Tür. Ein livrierter Diener richtete Grüße vom Kapitän aus und bat Johanna zum Abendessen in dessen Kajüte. Gül würde ihr Essen in die Kajüte gebracht bekommen.
»Pack alles wieder gut zusammen und lass die Sachen nicht aus den Augen, während ich weg bin!«, beschwor sie die Sklavin. »Und kein Wort zu niemandem, verstehst du?«
Geschickt schlang sie sich ein mit Silberfäden durchwirktes rosa Seidentuch um den Kopf, das sie in einer der Kisten gefunden hatte. Den Knoten band sie hinten, wie sie es oft bei Sybilla gesehen hatte. Die Haare waren nach wie vor verdeckt, aber Hals und Nacken waren sichtbar.
Gül schnalzte entsetzt mit der Zunge und kam sofort mit dem Schleier zu Johanna gelaufen. Aber Johanna winkte ab. Auf einem italienischen Schiff brauchte sie nicht mehr als Osmanin verkleidet herumzulaufen. Hätte sie ihre eigene Haube noch besessen, hätte sie diese aufgesetzt, aber irgendwie war die Haube in den Verkleidungskisten von Hatice und Selma gelandet. In Venedig hatte sie ihr Haar meist offen getragen, aber das erschien ihr auf einem Schiff, auf dem sie und Gül die einzigen Frauen waren, nun tatsächlich unpassend. Vielleicht hatte das Leben im Harem sie doch mehr beeinflusst, als sie wahrhaben wollte, lächelte sie in sich hinein. Es war wirklich Zeit, dass sie wieder nach Hause kam!
21. KAPITEL
D ie Kapitänskajüte war beheizt und gemütlich. Johanna fühlte sich längst heimisch dort. Seit vierzehn Tagen befand sie sich nun schon auf der Sirena . Fast jeden Abend hatte sie gemeinsam mit dem Kapitän zu Abend gegessen. Sie
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