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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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waren zwischen den Palmen, Agaven und sonstigen bunt blühenden Pflanzen verteilt, die sie nicht zuordnen konnte, weil sie sie noch nie gesehen hatte. Ein Bächlein schlängelte sich weiter hinten durch ein paar Felsbrocken, die wie vom Himmel gefallen schienen. Zahlreiche Orangen- und Zitronenbäume streckten ihre voll beladenen Zweige über das Idyll, als wollten sie dazu einladen, endlich leer gepflückt zu werden.
    »Fantastico« , flüsterte sie ehrfürchtig.
    Ihr Gastgeber stand mit stolzgeschwellter Brust neben ihr.
    » Vero, Signora , ich habe nicht zu viel versprochen, oder?«
    »Nein, das haben Sie nicht. Ich habe noch nie einen so schönen Garten gesehen«, erwiderte Johanna. »Wissen Sie, ich kenne mich ein wenig aus. Auch ich habe daheim in Frankfurt ein Lo kal, ein Kaffeehaus, das sogar einen kleinen Dachgarten hat. Aber mit Ihrem Paradies hier ist er in keinster Weise zu vergleichen.«
    »Ich mache das alles selbst. Ich bin ein leidenschaftlicher Gärtner«, sagte Xavier stolz.
    Er fischte ein paar Blätter aus dem kleinen Springbrunnen.
    »Wo ist denn nur Gül geblieben?«, wurde sich Johanna auf einmal der Abwesenheit ihrer Sklavin bewusst.
    »Die signorina turca ist in den Salon gegangen. Sie hat ein paar Leute getroffen.«
    Der Hausherr hatte mit der größten Selbstverständlichkeit gesprochen, als wäre es völlig normal, dass eine ungarische Sklavin, die seit ihrem fünften Lebensjahr im Harem des türkischen Sultans gelebt hatte, plötzlich in einer neapolitanischen Hafenkneipe auf alte Bekannte traf. Was konnte das bedeuten?
    Tatsächlich fand Johanna Gül im Salon an einem kleinen Tischchen wieder, zusammen mit einem älteren Herrn und einem schwarzhaarigen jungen Mädchen, das von erschreckender Blässe war und immer wieder in einen keuchenden Husten ausbrach. Alle drei hatten Espressotassen und einen Teller mit Gebäck vor sich stehen und unterhielten sich angeregt in einer fremden Sprache, die nur Ungarisch sein konnte. Gül hatte ihren Schleier nach hinten geschoben, sodass ihr Gesicht und ihr blonder Haaransatz zu sehen waren.
    Johanna ließ ihre Blicke prüfend durch den Raum gleiten. Auch hier stellten, neben einem riesigen Kronleuchter und den roten und violetten Seidenkissen auf den blau bezogenen Sesselchen, bunte Wandgemälde den einzigen, aber dafür umso wir kungsvolleren Schmuck dar. Xavier hatte Geschmack, das musste man ihm lassen, registrierte sie anerkennend. Sie wollte gar nicht wissen, woher er das Geld für seine Einrichtung hatte. Dann widmete sie sich der seltsamen Gruppe an dem kleinen Tischchen.
    Der ältere Herr stand auf und deutete eine Verbeugung an, als er sie auf sich zutreten sah.
    »Küss die Hand, gnädige Frau«, sagte er in breitestem Wienerisch, »Gül hat uns schon viel von Ihnen erzählt.«
    Er beugte sich galant über Johannas Hand und lud sie ein, Platz zu nehmen.
    »Un altro caffè, per favore« , rief er dann dem flugs herbeieilenden Hausknecht zu.
    Güls fahle Wangen leuchteten in einem sanften Rosé, und ihre blassen Augen glänzten fröhlich, als sie wie ein Wasserfall auf das junge Mädchen neben ihr einredete, das sofort anfing zu kichern, als wäre Gül die brillanteste Unterhalterin auf Erden.
    »Ich kann mir Ihre Überraschung vorstellen«, fing der ungarische Herr an, nachdem der Kellner einen Espresso vor Johanna abgestellt hatte.
    Zu bitter, dachte sie nur und rührte drei Teelöffel Honig in das schwarze Gebräu, um weiter den Ausführungen des Fremden zu lauschen.
    Graf Attila Kodály und seine Tochter Josepha stammten ursprünglich aus Pest, lebten aber schon seit Jahren in Wien, weil die medizinische Versorgung dort besser war. Seine Tochter könne sich seit frühester Kindheit nur auf Krücken fortbewegen, erklärte Graf Kodály Johanna leise, während Gül und Josepha noch immer keine Notiz von ihr nahmen. Er habe mit ihr eine kleine Italienreise über Venedig, Bari, Sizilien und Sorrent unternommen, die sie von ihrem Unglück ein wenig ablenken sollte. Seit einer Woche seien sie nun in Neapel, um in zwei Tagen nach Rom aufzubrechen und von dort aus nach Wien zurückzukehren.
    »Wissen Sie, meine Tochter hat keine Freunde«, sagte er bekümmert. »Sie war immer nur allein. Ihre Mutter ist bei ihrer Geburt gestorben, und dann kam die Lähmung hinzu. Ihr einziger Vertrauter war immer nur ich. Und dieser Hauslehrer, in den sie sich verguckt hat«, fügte er mit düsterer Miene hinzu. »Das konnte natürlich nicht gut gehen. Ich habe ihn

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