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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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man sie angeheuert hatte, um Johannas Truhen auszuladen, und vermutlich hätten sie sich kräftig selbst bedient, wenn nicht der Malteser auf seine höfliche Art mit Drohungen nur so um sich geworfen hätte. Ohne die Miene zu verziehen oder die Stimme zu erheben, kündigte Jean de Toulon Mord und Totschlag an, sollte Johanna auch nur ein Härchen gekrümmt werden oder jemand auch bloß den Gedanken hegen, sich etwas aus ihren Truhen anzueignen. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, sie persönlich an Land zu begleiten.
    Johanna war erleichtert gewesen, als die Piraten endlich wieder in ihr Beiboot gestiegen und zu ihrem Schiff gerudert waren, das drohend und unheilvoll vor der Küste ankerte. Nie würde sie vergessen, mit welch angstvollen Blicken die unschuldigen Bürger von Posillipo sie angeschaut hatten. »Ich habe nichts mit denen zu tun«, hätte sie ihnen am liebsten zugerufen, aber dann hätten sie sich möglicherweise über ihre Schätze hergemacht. Und das durfte auf keinen Fall sein, da galt sie lieber als Komplizin von gemeinen Verbrechern.
    Wie froh sie war, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben! Noch immer fühlte sie sich nicht ganz genesen. Jedes Schlagloch, durch das die Kalesche holperte, dröhnte in ihrem Kopf nach. Zumindest war sie die Piraten los. Allerdings konnte es gut sein, dass sie vom Regen in die Traufe geraten war, dachte sie, als ihre Augen erneut die Poritze des Kutschers streiften, dessen Hose so tief saß, dass der größte Teil seines Hinterns freigelegt war. Gül, prüde wie sie nun einmal war, hatte sich ihren Schleier vor das Gesicht gezogen, um diesen Anblick nicht länger ertragen zu müssen.
    Johanna sah zu dem Kastell, das auf einer Insel im Meer vor der Küste auftauchte. Rasch drehte sie den Kopf wieder zur anderen Seite, weil die Dünung, die gegen die Festungsmauern donnernden Wellen und das Geschrei der Möwen erneut ein Gefühl des Schwindels in ihr hervorriefen. Statt auf das Meer richtete sie ihren Blick lieber auf den am Horizont aufragenden Berg mit der rauchenden Doppelspitze.
    Endlich war Schluss mit dem Geholper! Die Kutsche, der ein neuer Anstrich gewiss gutgetan hätte, wie sie beiläufig registrierte, und der nach Fisch riechende Ochsenkarren mit ihrem Gepäck hielten vor einem heruntergekommenen Haus mitten im Hafenviertel an. Überall waren die Fensterläden geschlossen, und auch sonst machte die Gegend keinen sehr vertrauenswürdigen Eindruck. Magere, mit Narben übersäte Katzen sonnten sich auf den Treppenstufen der Hauseingänge. Fast allen fehlte irgendein Körperteil, eine Pfote, ein Ohr, ein Auge. Abgesehen von den Katzen war die Straße wie ausgestorben.
    »Bella Napoli« war in türkiser Schreibschrift auf eine verwitterte Hauswand gepinselt. Sie hatten ihr Ziel erreicht. Johanna erhob sich mühsam aus dem Sitzpolster der Kutsche. Es kam ihr vor, als würde sie jeden einzelnen ihrer Knochen spüren. Jetzt wollte sie sich nur noch auf einem Bett ausstrecken und ihre Ruhe haben. In der Gewissheit allerdings, dass auch ihre Truhen in Sicherheit waren – das war im Moment noch ihre größte Sorge. Sie machte sich daran, die kleine Truhe mit den eingeschnitzten Koranversen im Deckel auszuladen, aber Xavier schob sie schnell zur Seite, nachdem er die Zügel einem wie aus dem Nichts aufgetauchten Mann mit grimmigem Gesicht und übertrieben langen Koteletten in die Hand gedrückt hatte.
    »Nein, nein, Signora, das machen wir schon!«
    Sein dichter schwarzer Schnurrbart bebte vor Lachen. Er steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen gellenden Pfiff aus, woraufhin von allen Seiten braun gebrannte Männer und Jungen herbeiströmten, die Netze, die sie geflickt hatten, noch in der Hand. Der Jüngste schleppte in jeder Hand einen Eimer, in dem sich ein wildes Durcheinander aus Fischen, Krebsen und Muscheln befand. Er wollte gleich mit Xavier über seinen Fang verhandeln, wurde aber von diesem in die Küche geschickt.
    Durch die offene Haustür schlurfte nun ein Mann heran, offenbar eine Art Hausknecht, der sich vor Johanna und Gül verbeugte und mit anzupacken begann. Er schien von einem Nervenleiden geplagt. Immer wieder wurde sein Körper von wilden Zuckungen durchschüttelt.
    »Lassen Sie uns reingehen! Dort ist es kühl.«
    Der Andalusier legte Gül und Johanna jeweils eine seiner kräftigen Pranken auf den Rücken und schob sie zur Tür. Gül sprang entsetzt zur Seite; sie ließ sich nicht von einem Mann berühren, das war Sünde in ihren

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