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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Augen. Und Johanna hasste es grundsätzlich, wenn Männer sie zu bevormunden versuchten. Stur lehnte sie sich gegen die Hand, die sie vorwärtsdrängen wollte, und blieb stehen.
    »Ich würde gerne dabei zusehen, wie mein Gepäck ausgeladen wird. Und ich möchte auch wissen, wohin es gebracht wird.«
    Ihr Ton war barscher gewesen als beabsichtigt. Es war fast schon eine Marotte von ihr geworden, dass sie ständig ihre Truhen durchzählte. Die Kette mit den Schlüsseln um ihren Hals hatte bereits tiefe Spuren auf ihrer Haut hinterlassen, doch das war ihr gleichgültig.
    Xavier schüttelte verständnislos den Kopf. So viel weiblichen Widerstand schien er nicht gewöhnt zu sein.
    »Nun, dann kommt eben nach. Die Truhen werden erst mal in den Keller gebracht, sonst ist ja nirgends Platz.«
    Johanna wäre es zwar lieber gewesen, wenn die Truhen nicht aus ihrem Blickfeld verschwunden wären, aber sie beschloss, zunächst den Mund zu halten.
    In dem dunklen Hauseingang drängelte sich nun eine sehnige junge Frau mit einem bunten Kopftuch an der ersten Truhe vorbei. Als hätten sie sich seit Monaten nicht gesehen, warf sie sich dem ehemaligen Piraten in die Arme. Dann erst begrüßte die neapolitanische Schönheit die Neuankömmlinge.
    »Benvenute! Io mi chiamo Sofia.«
    Sie schnippte ein paar Fischschuppen von ihrer geblümten Schürze und umarmte die beiden Frauen, als wären sie die besten Freundinnen. Ein Geruch von Knoblauch und Schweiß ging von ihr aus.
    Nur wenig Licht drang durch die geschlossenen Fensterläden, als sie das Lokal betraten. Johanna konnte die Gesichter der Gäste, die sich prompt zu ihnen umdrehten, kaum erkennen. Bloß dass es ausnahmslos Männer waren, das sah sie. Alle machten den Eindruck, als würden sie auf etwas warten. Keiner verplemperte seine Zeit mit Spielen, einige hatten nicht einmal ein Glas vor sich stehen. Kaum ein Wort wurde gewechselt. Ein idealer Ort, um einen Mord in Auftrag zu geben, schoss es Johanna durch den Kopf. Zuhälter, Hehler, kleine Ganoven, der ein oder andere Matrose, schätzte sie. Aber möglicherweise auch rechtschaffene Familienväter, die der Mittagshitze entflohen waren und sich an der Kühle des Raumes erfreuten, bis es wieder Zeit wurde, an die Arbeit zu gehen.
    Sofia servierte ihr und Gül erst einmal ein ordentliches Mittagessen. Selten hatte Johanna so gut gegessen, dabei war es nur ein ganz einfaches Mahl, eine Art Teigfladen, belegt mit einer frischen Tomatensauce und kleinen Meerestieren.
    »Si chiama ›pizza‹« , verkündete Xavier stolz.
    Er tätschelte seiner Sofia, die offenbar eine begnadete Köchin war, den Hintern.
    Sogar Gül war für einen Moment aus ihrer üblichen Lethargie erwacht und hatte auf Johannas Begeisterungsrufe zustimmend mit dem Kopf genickt, während sie die Pizzastücke unter ihrem angehobenen Schleier umständlich zum Mund führte. Zum Nachtisch hatte es eine macedonia con gelato , einen Obstsalat mit Eis, und einen ristretto gegeben, wobei Letzterer allerdings wenig Eindruck bei Johanna hinterlassen hatte. In Sachen Kaffee war sie Besseres gewöhnt.
    Misstrauisch drehte sie sich zum wiederholten Male in Richtung Keller um. Sie konnte nicht anders, sie musste dessen Eingang kontrollieren. Sie hatte das Gefühl, sämtliche Augen paare der herumlungernden, schweigenden Männer wären ebenfalls auf die Luke im Boden gerichtet.
    Als Xavier sie und Gül nach dem Essen aus der dunklen Gaststube hinaus in den Hof führte, war Johanna wie versöhnt mit ihrem Schicksal. Ein riesiger Brunnen dominierte das von hohen Mauern gerahmte Viereck, um das zahlreiche Blumenkübel mit kleinen Stechpalmen gruppiert waren. Eine rosafarbene Bougainvillea rankte sich an der einen Hauswand der Sonne entgegen.
    »Das hätten Sie nicht erwartet, was?«, fragte der ehemalige Seeräuber grinsend, der ihre ehrliche Bewunderung bemerkt hatte. »Den meisten Gästen geht das so wie Ihnen. Alle denken sie: ›Was für ein heruntergekommener Schuppen, hier soll ich übernachten?‹, wenn sie draußen vor dem Haus stehen. Aber wenn sie dann erst einmal drinnen sind, kommen sie aus dem Staunen nicht mehr heraus. Doch das Beste kommt erst noch, warten Sie nur, bis Sie den richtigen Innenhof, unseren giardino , gesehen haben!«
    Eilfertig watschelte er vor ihr her um die Ecke des Gebäudes. Immer wieder zog er sich die rutschenden Hosen hoch.
    »Venga, venga!«
    Johanna stockte der Atem. Lauter kleine Tischchen, deren Platten aus bunten Mosaiksteinen bestanden,

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