Die Kaffeemeisterin
Hinter der ganzen Geschichte steckte ihr alter Feind Gottfried Hoffmann, seines Zeichens Apfelweinbauer aus Sachsenhausen – und Ehemann ihrer ehemals besten Freundin Elisabeth. Er hatte die falsche Kaffeeguckerin bezahlt, damit sie in der Coffeemühle ihr Unwesen trieb, und sie, Johanna, gleichzeitig beim Schultheißen angezeigt. Kein Monat verging, in dem sich Gottfried Hoffmann nicht etwas Neues ausdachte, um sie zu schikanieren. Das Tassenweib war nur eine weitere Maßnahme, um ihr Geschäft zu schädigen, ihre Kunden zu verschrecken und die Justiz auf sie aufmerksam zu machen. Wenn man mit genug Dreck warf, dann blieb irgendwann etwas hängen, so dachte Gottfried offenbar. Johanna hatte es sich immer wieder durch den Kopf gehen lassen, ob sie selbst zum Schultheiß gehen sollte, um die Schikanen des Apfelweinwirts anzuzeigen. Doch die Angst um Elisabeth hatte sie jedes Mal davon abgehalten. Als Kinder waren sie unzertrennlich gewesen. Nebeneinander hatten sie mit der Sichel die Felder gemäht, waren auf Obstbäume geklettert wie die Jungen und hatten Schafe gehütet. Sie hatten einander ihre größten Geheimnisse anvertraut und die herrlichsten Lachanfälle zusammen bekommen. Erst als Elisabeth Gottfried Hoffmann kennengelernt und gegen Johannas Rat geheiratet hatte, war ihre Freundschaft zu Ende gewesen.
Johanna ließ ihren Blick durch die Gaststube schweifen, wo alles wieder seinen normalen Gang genommen hatte: Ludwig Haldersleben las hoch konzentriert seine Zeitung, die Würfelspieler zockten unter fröhlichem Kampfgeschrei, der Eifeler Schießpulverfabrikant unterhielt sich leise mit seinem pickligen Sohn, Schosch hantierte lustlos am Herd herum, und die beiden Piketts rüsteten sich zum Aufbruch. Es war alles in bester Ordnung – und so sollte es bleiben! Niemand hatte das Recht, ihr und Adams Töchtern die Lebensgrundlage zu zerstören. Auch nicht Gottfried Hoffmann, mochte er noch so sehr mit Elisabeth verheiratet sein. Damit war nun endgültig Schluss!
2. KAPITEL
W as soll ausgerechnet an der Bergerin so gefährlich sein?«, fragte der Bierbrauer Hildebrand Praetorius mit ungläubi ger Stimme.
Martin Münch hätte ihm am liebsten sekundiert und noch hinzugefügt: »Ja, lassen wir sie doch endlich in Ruhe!« Aber das traute er sich nicht. Stattdessen drehte er sein Gesicht den ersten Sonnenstrahlen des Jahres zu, die durch die winzige Fensterluke der Hütte fielen.
Eine große Spinnwebe vom letzten Sommer wehte in der Ecke nahe der Öffnung hin und her. Bis vor Kurzem hatten ein paar Maurer in dem grob gezimmerten Bretterverschlag gewohnt, die am Neubau des Deutschordenshauses gearbeitet hatten. Ein Loch in der Mauer zwischen dem Ordensareal und dem Hof des Roten Apfel ermöglichte Gottfried Hoffmann und sei nen Getreuen, hier ihre heimlichen Treffen abzuhalten. Noch war es viel zu kühl, als dass die Männer ihren Apfelwein im Hof des Hoffmann’schen Wirtshauses hätten trinken können. Auf ein Feuer verzichteten sie in der Hütte, hätte der aufsteigende Rauch sie doch bloß verraten.
Seine Erkältung machte Martin Münch zu schaffen. Sein Kopf brummte. Durch das Herumsitzen in der Kälte würde er auch nicht gesünder. Noch in der Nacht zuvor hatte es wieder zu frieren begonnen. Immer, wenn man dachte, der Winter sei nun endgültig vorbei, stellte man fest, dass man sich zu früh gefreut hatte. Jedes Jahr war das so. Die verwitterte Bank, auf der er saß, war feucht und morsch. Er spürte, wie die Kälte in seine Hüften kroch und den Schmerz an der empfindlichen Stelle oberhalb des Steißbeins vergrößerte.
Gottfried Hoffmann ließ sich Zeit mit seiner Antwort auf Hildebrand Praetorius’ Frage, als würde es ausreichen, den Feind in Grund und Boden zu starren. Martin war froh, dass dieser Blick nicht ihm galt. Doch in dem mächtigen Bierbrauer hatte Gottfried – auch genannt »der Schläger von Sachsenhausen« – einen würdigen Gegner gefunden. Praetorius war kein Mann, der sich einschüchtern ließ. Er starrte einfach zurück, ohne mit der Wimper zu zucken, und hielt das Schweigen aus.
Gottfried Hoffmann selbst hatte den Bierbrauer zu dem konspirativen Treffen eingeladen, weil er gehört hatte, dass Praetorius eine Kampagne gegen den schwarzen Türkentrank ins Leben gerufen hatte. Seinem eigenen Feldzug gegen die Witwe Berger war in letzter Zeit etwas die Puste ausgegangen, und er erhoffte sich offenbar neuen Schwung durch ein Bündnis mit einem der mächtigsten Männer der Stadt. Nun
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