Die Kaffeemeisterin
aber schien er Probleme damit zu haben, die Macht tatsächlich abzugeben, und verfing sich erst einmal in seinen üblichen Spielchen.
Martin Münch konnte sich kaum etwas Langweiligeres vorstellen als Männer, die ständig dabei waren abzuklären, wer innerhalb der Gruppe welchen Platz innehatte – vor allem auch deswegen, weil er bei solchen Rangeleien meist am schlechtesten abschnitt. Nur deshalb war er überhaupt hier. Er selbst hatte nichts gegen Johanna Berger, er kannte sie schließlich gar nicht, aber er musste mitmachen, weil er Gottfried Hoffmanns Nachbar war und weil dieser sonst ihn und seine Frau Ännchen gnadenlos tyrannisieren würde. Seit Jahren schon versuchte er mäßigend auf Hoffmann einzuwirken. Bisher ohne Erfolg. Er schüttelte sich innerlich und presste die Kieferknochen aufeinander. Wie er diesen Mann hasste! Abgrundtief! Mit seiner gedrungenen Gestalt, dem muskulösen Oberkörper, den kurzen Beinen, dem kräftigen Hals und dem vorgeschobenen Kinn ähnelte Hoffmann stark einem seiner »Bullenbeißer«, einer Hunderasse, die vorzugsweise zum Kampf gegen Bullen und Bären eingesetzt wurde und die der Apfelweinwirt vor nicht allzu langer Zeit zu züchten begonnen hatte. Manchmal hatte er bis zu zehn Viecher von der Sorte in seinem Zwinger, mutmaßte Martin Münch, der aufgrund des lauten Gekläffs aus dem Nachbargehöft nachts oft nicht einschlafen konnte. Aber das war noch gar nichts gegen den Bären, den Hoffmann sich vor ein paar Tagen zugelegt hatte! Das Tier war angeblich noch nicht ausgewachsen, aber schon jetzt weit größer als sein Besitzer, wenn es sich zu voller Höhe aufrichtete. Und das tat es oft genug! Mit einem gefährlichen Zähnefletschen, das Hoffmann als Begrüßungslächeln deutete, wie er ihm, Martin Münch, erst gestern stolz erzählt hatte. Der Gestank, der von Luzifers – so der Name des Ungeheuers – mit Heu und Stroh ausgelegtem Stall ausging, war bereits jetzt kaum mehr auszuhalten. Wie er Gottfried Hoffmann kannte, würde er bestimmt nicht zu denjenigen Tierbesitzern zählen, die regelmäßig ans Ausmisten dachten. Er konnte nur hoffen, dass der Apfelweinwirt diese lästige Pflicht nicht auf seine Frau Elisabeth abschob. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn der spielwütige Luzifer auf die Idee kam, mit ihr »herumtollen« zu wollen!
»Wenn wir die Bergerin erst mal kleingekriegt haben, dann kriegen wir auch die anderen klein«, meldete sich in dem Moment Jockel Lauer, der Vierte in der Hütte, in seinem stets fanatischen Tonfall zu Wort.
Jockel Lauer war nicht sehr intelligent und machte alles, was Hoffmann anordnete. Er brannte illegal Schnaps und hatte eine winzige Schenke am Stadtrand. Das Leben war für ihn ein einziger langer Krieg. Wenn es dabei Tote geben würde, nähme Jockel Lauer auch die fraglos in Kauf.
»Na ja, so ganz leuchtet mir das nicht ein, aber wir sollten mal weitermachen und nicht unsere Zeit mit Nebensächlichkeiten verplempern«, sagte Hildebrand Praetorius von oben herab, ohne Gottfried Hoffmann anzusehen.
Martin Münch konnte es kaum fassen, dass sich ein solch wichtiger Mann mit ihnen verbündet hatte. Praetorius galt als der erfolgreichste Bierbrauer der Stadt. Sein Schwager war Ratsmitglied. Er führte ein großes Haus auf der Zeil und besaß ein Sommerhaus im Grünen. Wie konnte sich so jemand mit einem gefährlichen Irren wie Gottfried Hoffmann und einem Kleinkriminellen wie Jockel Lauer einlassen?
Einige Steine schienen draußen aus der Mauer zu bröckeln. Man konnte hören, wie jemand darauftrat und sich der Hütte näherte. Jockel sprang auf, als müsste der Holzschuppen gegen die Ungläubigen verteidigt werden. Die Hand hatte er an seinen Gürtel mit dem Messer gelegt. Knarrend wurde die morsche Tür aufgezogen.
Elisabeth Hoffmann war noch immer eine Schönheit. Und ohne den großen Bluterguss rund um ihr linkes Auge wäre sie noch schöner gewesen. Mit der rechten Hand hielt sie ein Tablett mit einem dampfenden Krug und Bechern gegen ihre Hüfte gepresst. Der andere Arm steckte in einem Verband und war gegen ihren Oberkörper geschnürt.
»Hier ist etwas zu trinken.«
Es klang wie eine Frage, so zögerlich formulierte sie ihre Aussage.
»Danke.«
Martin Münch nahm sich als Erster einen Becher und lächelte Elisabeth aufmunternd zu. Er verspürte Zorn in sich aufsteigen. Was Hoffmann mit seiner Frau machte, war unerträglich!
Gottfried Hoffmann ignorierte Elisabeth. Unsicher sah sie ihn an.
»Lass uns in
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