Die Kaffeemeisterin
kam sich sehr mutig vor, weil er Widerstand leistete, auch wenn er wusste, dass er Hoffmanns Planungen bloß verzögern und nicht aufhalten konnte.
Dessen Augen waren auf den Schnapsbrenner Jockel Lauer gerichtet, als machte er ihn für das Desaster mit der Kaffeeguckerin verantwortlich.
»Jockel hat versagt. Er hat den Mann von diesem Weib nicht im Griff gehabt, diesen Hungerleider, der mir immer noch das Geld für drei Fuder von meinem besten Apfelwein schuldet. Und der hat seine Frau nicht im Griff gehabt, diese Kaffee-Schlampe! Die scheint ja ein tolles Schauspiel abgegeben zu haben, was man so hört!« Er grinste abfällig, sodass man seine gelben Zahnstummel sehen konnte. »Jedenfalls hat es auf die sanfte Tour nicht geklappt«, fuhr er fort, »und deshalb werden wir es diesmal anders angehen lassen – nicht wahr, Jockel?«
Das Gesicht des Schnapsbrenners zeigte keinerlei Regung.
»Nächstes Mal musst du den Leuten mehr Angst machen, verstanden? Denen muss richtig klar sein, was passiert, wenn sie nicht spuren!«
»Was soll ich denn machen? Ich habe der Alten mein Messer gezeigt, es ihrem Mann an den Hals gehalten. Soll ich sie etwa abmurksen?«
Martin Münch zweifelte keine Sekunde daran, dass der Schnapsbrenner seine Frage ernst gemeint hatte.
»Nein, nein, um Gottes willen! So etwas können wir nun wirklich nicht gebrauchen!«, rief Praetorius entsetzt. »Wir werden uns nicht mehr mit so einem Kleinkram wie diesen Einschüchterungsversuchen von Frau Berger aufhalten«, fügte er hinzu, als wäre er von Anfang an bei dem Feldzug gegen die Kaffeehauswirtin dabei gewesen. »Wir werden unseren Widerstand diesmal richtig groß aufziehen.«
Er wirkte verärgert, weil man ihn unterbrochen hatte, und erschüttert über Jockels Frage. Das ging ihm sichtlich zu weit.
»Es geht schließlich nicht um unsere Geschäfte, es geht um die Gesundheit der Bevölkerung!«
Der Schnapsbrenner hatte diesen Satz unter Mühen auswendig gelernt und sagte ihn nun bei jeder Gelegenheit auf. Immer wieder hatte Gottfried Hoffmann ihm eingebläut, dass ihr wich tigstes Bestreben sei, andere vor dem teuflischen Getränk zu retten, das süchtig machte. Bisher war nur Johanna Berger ihre Feindin gewesen, aber nun hatten sie sich mit Hildebrand Praetorius zusammengeschlossen und ein hehres Ziel: die Gesundheit der Frankfurter Bevölkerung. Sie alle hatten schließlich von Menschen gehört, die in einen Fieberwahn versunken waren, weil sie zu viel Kaffee getrunken hatten.
Martin Münch glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Un glaublich, dass ein illegaler Schnapsbrenner anderen Leuten das Kaffeetrinken verbieten wollte, weil er sich um ihre Gesundheit sorgte! Einer, der keinerlei Problem damit hatte, seinen Nächsten mit dem Tode zu bedrohen, wollte genau diesen plötzlich vor schädlichen Getränken beschützen! Trotzdem schien Jockel Lauer, dumm wie er war, langsam anzufangen, an seine Worte zu glauben. Doch statt auch nur zu schmunzeln, nickte Martin Münch genauso ernsthaft wie Hoffmann und Praetorius.
Der Bierbrauer griff in seine Mappe und zog ein weiteres eng beschriebenes Blatt hervor.
»Wir gehen am besten in zwei Schritten vor, um Frankfurt sauber zu halten von ausländischen Sitten, die nicht zu uns passen und unsere Bevölkerung nervös und gleichzeitig faul machen. Der muselmanische Magen mag ein solches Getränk vertragen. Der Körper eines Christenmenschen ist da anders. Bier, Wein und Schnaps – das ist deutsch. Das kennen wir, und dabei wollen wir bleiben.«
Beifall heischend blickte er in die Runde.
Jockel Lauer und Gottfried Hoffmann klopften mit den Fäus ten zustimmend auf den Tisch, als hätte der Bierbrauer eine Staatsrede gehalten.
Martin Münch blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls auf den Tisch zu klopfen. Selten hatte er einen größeren Quatsch gehört. Jeder von ihnen hatte schließlich berufsmäßig mit Leuten zu tun, die nicht nur nervös und faul waren, sondern schlichte Säufer. Sie alle kannten Familien, die am Hungertuch nagten, weil Vater oder Mutter alles versoffen. Doch sein Beifall kam zu spät, als dass die anderen sein Zögern nicht bemerkt hätten.
»Was ist, Martin?«, fragte Gottfried Hoffmann. »Bist du etwa anderer Meinung?«
»Keineswegs, das ist … Das ist gg… ganz genau meine Meinung.«
Wie lange würde er das noch aushalten?, fragte sich Martin Münch erschöpft. War es wirklich zu spät, um auszusteigen? Er kannte Jockel Lauers Methoden. Würde der Schnapsbrenner
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