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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Hand, um auch ihr vom Wagen zu helfen. Die junge Frau überreichte dem wartenden Jungen die Zügel. Sie warf Gabriel einen scheuen Blick zu und ließ sich von ihm aus der Kutsche helfen. Ihr pflaumenfarbenes Kleid war in der Taille von einem schweren, geschmiedeten Silbergürtel zusammengehalten. Auch ihre beiden Handgelenke zierten breite Silberreifen.
    »Die anderen sind zu Fuß unterwegs. Ich wollte die Braut standesgemäß vorfahren, deshalb haben wir an der Schiffsanlegestelle diesen Wagen hier gemietet«, sagte der Pferdehändler und sah nachdenklich dem davonzuckelnden Einspänner hinterher.
    »Rachel, meine Liebe!«
    Esther Stern musste die Ankunft der Kalesche aus dem Fenster beobachtet haben. Mit weit ausgebreiteten Armen stürzte sie auf ihre künftige Schwiegertochter zu, um sie zu umarmen.
    »Wo ist Vater?«, fragte Gabriel seine Mutter, nachdem diese auch Joel Lazarus begrüßt hatte.
    »Ach, er wird noch im Spital gebraucht«, antwortete Esther Stern. »Die Kranken gehen nun mal vor. Selbst am Tag der Verlobung seines einzigen Sohnes kann er sich nicht freinehmen.« Mit einem entschuldigenden Lächeln an Rachel und Joel Lazarus gewandt fügte sie hinzu: »Er hat versprochen, pünktlich in die Synagoge zu kommen. Ich denke, wir sollten uns jetzt auch auf den Weg machen, viel Zeit haben wir nicht mehr.«
    Esther Stern hatte sich bei Rachel untergehakt. Laut auf sie einredend dirigierte sie Braut und Brautvater die Gasse hinauf in Richtung Synagoge.
    Als Gabriel sich ihnen anschließen wollte, hielt ihn Jehuda am Ärmel fest.
    »Hier, nimm das!«
    Der Krämer drückte ihm ein paar geröstete Kaffeebohnen in die Hand. Dann nahm er sich selbst eine und steckte sie sich in den Mund.
    »Das beruhigt, weißt du? Wenn ich mich aufrege, kaue ich immer auf einer Kaffeebohne herum.«
    Gabriel steckte sich eine Bohne in den Mund und verstaute den Rest in der Innentasche seiner Weste. Dankbar lächelte er Jehuda zu.
    »Klarer denken kann man auch«, fuhr der Krämer fort. »Und ich glaube, das ist das, was du nötig hast. Viel Zeit hast du ja nicht mehr, um die richtige Entscheidung zu fällen.« Er sah ihn bedeutungsschwer an und hob den Zeigefinger. »Das Wichtigste ist: Lass dir von niemandem reinreden in dein Leben! Bei mir und Mirjam ist die Rechnung aufgegangen. Bei anderen ist das nicht der Fall. Nur du allein weißt, was gut für dich ist.«
    »Gabriel, wo bleibst du denn?«
    Die Stimme seiner Mutter klang schrill und gehetzt. Wie betäubt setzte sich Gabriel in Bewegung, ohne sich noch einmal nach dem Krämer umzusehen.
    Als sie bei der Synagoge ankamen, waren auch Rachels Mutter Brunhilde, ihr kleiner Bruder Jakob, die Schwestern Recha und Jeanette sowie Elias Stern bereits eingetroffen. Mehr Gäste wurden zu der kleinen Zeremonie nicht erwartet. »Die Hochzeit feiern wir dann richtig groß«, hatte Esther Stern zu Gabriel gesagt und ihm dabei nicht in die Augen gesehen, »mit Musik und vielen Gästen und einem schönen Festessen.« Zum ersten Mal war Gabriel ihr in Sachen Eheschließung geradezu dankbar gewesen: Zumindest das wurde ihm jetzt erspart!
    » Schalom , Gabriel!«, rief Brunhilde Lazarus aus und küsste ihn auf beide Wangen. »Wie schön, dass dieser Tag, da du meinem Mädchen versprochen wirst, endlich gekommen ist!«
    »Ja, wie schön«, erwiderte Gabriel lahm, während er Recha und Jeanette begrüßte, die er schon einmal getroffen hatte. Beide glichen Rachel so sehr, als handelte es sich bei den Lazarus-Töchtern um Drillinge. Wie merkwürdig, dass ein Mann wie Joel so stille, geheimnisvolle Töchter hatte! Und auch der redseligen Brunhilde hätte er temperamentvollere Kinder zugetraut.
    Sein Blick fiel auf den etwa achtjährigen Jungen an Brunhildes Seite, der ihn aufmerksam betrachtete. Auch er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Rachel, doch allein sein Augenausdruck verriet, dass wenigstens er nach seinen Eltern gekommen und ein völlig anderer Charakter als seine Schwestern war. Die wilden Locken, die ihm bis auf die Schultern fielen, wippten lebhaft mit seinen Bewegungen mit. Er schien nicht still zu stehen, obwohl er keine Sekunde seinen Platz verlassen hatte.
    Gabriel streckte die Hand aus.
    »Hallo, Schwager!«, sagte er mit einem Augenzwinkern.
    Er merkte, dass er den richtigen Ton angeschlagen hatte. Der Junge strahlte ihn an.
    »Du bist also dieser Spinettlehrer, den meine Schwester heiraten soll!«
    »Jakob!«, rief seine Mutter empört. »Wie redest du denn mit Herrn

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