Die Kaffeemeisterin
…«
»Nein, ich meine die Frau!«, unterbrach ihn Gabriel ungeduldig. »Wer ist die Frau, die du neulich auf der Zeil gesehen hast?«
Er hatte das Gefühl, dass Jehuda sich über ihn lustig machte. Ahnte er, welche Bedeutung Johanna Berger für ihn besessen hatte, ja, noch immer besaß? Es konnte sich doch nur um sie handeln! Aber warum quälte er ihn dann mit diesen Spielchen?
»Na, die Bergerin!«, rief Jehuda erstaunt. »Hast du etwa noch nicht mitbekommen, dass sie wieder in Frankfurt ist? Sie hat ihre Gerechtigkeit zurückerhalten und die Coffeemühle wieder aufgemacht. Schon vor einer ganzen Weile. Allerdings scheinen die Geschäfte noch nicht richtig gut zu laufen, habe ich mir erzählen lassen. Was vielleicht an dem Kaffee liegt, den sie dort verkauft«, stichelte er dann, »sie bezieht ihre Bohnen nämlich nicht mehr bei mir, sondern muss eine neue Quelle aufgetan haben.«
»Die Coffeemühle hat wieder aufgemacht?«
»Dass du das noch nicht mitbekommen hast!« Belustigt sah Jehuda ihn an. »Sie haben ihr den Prozess gemacht, weil sie angeblich einen Juden bei sich hat auftreten lassen, der sich als Italiener verkleidet hat. Und du hast wirklich nichts von der Sache gehört?«
Gabriel hielt es für besser, Jehuda nicht merken zu lassen, dass die Nachricht von Johannas Heimkehr ihn zutiefst verstörte. Nach einem Jahr im Ausland war sie wieder zurückgekommen – und ausgerechnet am Tag seiner Verlobung erfuhr er diese schicksalhafte Neuigkeit. Johanna, sie war wieder da, in Frankfurt, ganz in seiner Nähe! Er fühlte, wie ihn neue Energie zu durchströmen begann, wie das Blut in seinen Adern pulsierte. Johanna zurück in Frankfurt … Aber, besann er sich dann, was änderte das schon an seiner Situation? Außerdem interessierte sich Johanna Berger sowieso nicht für ihn. Oder wie war das zu erklären, dass sie sich weder vor ihrer Abreise noch nach ihrer Ankunft nach ihm erkundigt hatte? Immerhin war er lebens gefährlich verletzt gewesen! Doch wenn sie wieder da war, schien sie zumindest nicht die Frau dieses venezianischen Adeligen geworden zu sein, von dem ihre Freundin, diese Elisabeth, vor ein paar Monaten erzählt hatte …
»Wie ist der Prozess ausgegangen?«, fragte er so ruhig, wie es die Erregung in seinem Inneren zuließ.
»Der Zeuge, der angeblich gegen sie aussagen sollte, ist nie aufgetaucht. Sie ist wohl mit einer Verwarnung davongekommen.« Jehuda legte den Kopf ein wenig schräg und sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. »Wer dieser angebliche Italiener wohl gewesen ist? Na ja, es ist schon ein Skandal, dass unsere Musiker nicht in christlichen Kaffeehäusern auftreten dürfen! Nichts, aber auch gar nichts ist uns erlaubt! Alles muss man heimlich machen, weil es verboten ist. Und dann werfen sie uns vor, wir würden ständig irgendwie herummauscheln. Irgendwann werde ich doch noch nach Saloniki gehen!«
Aus der Ferne hörte Gabriel das Wiehern eines Pferdes, das fast wie eine Begrüßung klang. Wenig später nahm er das Klappern herannahender Hufe wahr. Und kurz darauf kam ein offener Einspänner nur wenige Schritte vor dem Haus Zum Goldenen Kamel zum Stehen.
Mit beiden Händen hielt Rachel die Zügel des prächtigen Rappen noch immer stramm gespannt, als befürchtete sie, das Pferd könnte jederzeit wieder losrasen. Joel Lazarus, der neben seiner Tochter auf dem Kutschbock saß, begrüßte seinen künftigen Schwiegersohn fröhlich.
»Sieh dir meine Tochter an! Schön wie eine Göttin! Und eine echte Lazarus, wenn es um Pferde geht. Du solltest sie mal hoch zu Ross sehen!«
Behände sprang er vom Bock und schnippte einen zerlumpten Jungen heran, dem er ein paar Geldstücke in die Hand drückte, damit er sich um das Pferd kümmerte.
Gabriel gab sich einen Ruck und trat auf die Kutsche zu.
Der Pferdehändler war ein drahtiger kleiner Mann mit wettergegerbten Gesichtszügen und einem grauen Spitzbart. Seine gesunde Bräune fiel in dieser Gasse der bleichen Menschen völlig aus dem Rahmen. Und seine prächtige Festtagskleidung hob sich von dem tristen Schwarz der traditionellen Tracht der Frankfurter Juden ab.
» Schalom , mein Junge! Friede sei mit dir!«
Joel Lazarus drehte sich zu dem ihn weit überragenden Gabriel um und legte ihm feierlich beide Hände auf die Schultern.
» Schalom , mein Vater!«
Respektvoll neigte Gabriel den Kopf und küsste seinem künftigen Schwiegervater die Hand. Dann erst wandte er sich seiner Braut zu.
» Schalom , Rachel!«
Er hob die
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