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Die Kaffeemeisterin

Die Kaffeemeisterin

Titel: Die Kaffeemeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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allen Seiten, machten ein paar angedeutete Verbeugungen und verdrückten sich.
    Gottfried Hoffmann ließ seine Augen über die Tische mit den Gästen wandern, die in ihren Gesprächen verstummt waren und je nach Temperament amüsiert oder verschreckt auf den kleinen Trupp in der Hofeinfahrt starrten. Kurz verweilten Gottfrieds Augen auf der Bijoutiersgattin, die aufgrund ihrer Hautfarbe aus der Menge der Gäste herausstach. Dann traf sein Blick Elisabeth.
    Langsam setzte er sich in Bewegung. Die Schreinergesellen und ihre Mädchen, die die Polonaise gebildet hatten, stoben schreiend auseinander. An Gottfrieds Taumeln erkannte Johanna, dass er stark angetrunken war. Die Axt in seiner Hand schlenkerte bedrohlich, als er immer näher an ihren Tisch herankam.
    »Du kommst jetzt mit mir mit, Elisabeth!«
    Seine Stimme klang keineswegs so autoritär, wie er sie wohl gern hätte klingen lassen, sondern eher unsicher, fast weinerlich.
    »Lassen Sie Elisabeth in Ruhe!«
    Ludwig Haldersleben erhob sich entrüstet von seinem Platz.
    »Halts Maul, du alter Knacker! Das wäre ja wohl noch schöner, wenn du hier was zu sagen hättest. Das ist meine Frau!«
    Gottfried Hoffmanns Gesicht sah aus, als hätte er viel zu lange in der Sonne gelegen. Die Ader an seiner linken Schläfe drohte zu platzen. Er dünstete einen ganzen Fuder Alkohol aus, sodass sich Johanna angeekelt zurücklehnte.
    »Wir können das hier jetzt auf die leichte Tour lösen – oder auf die schwere«, lallte der Apfelweinwirt.
    Er hatte wohl eine Drohung aussprechen wollen, aber tatsächlich hörte er sich an, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. Sein massiger Körper schwankte vor und zurück. Doch plötzlich, mit einer für einen Betrunkenen ungewöhnlich flinken Bewegung, hatte er die Axt hoch über seinen Kopf geschwungen.
    Johanna hörte einen Schrei, der wohl ihr eigener gewesen sein musste, wie sie Sekunden später feststellte, und sprang auf. Auch Ludwig Haldersleben und Elisabeth wichen unwillkürlich zur Seite aus, während die Schreinersleute an ihrem Ende des Tisches rasch näher zusammenrückten. Nur Justus von Zimmer blieb ungerührt sitzen, als wäre etwas mit seinem Reaktionsvermögen nicht in Ordnung. Oder als hätte er es nicht nötig, sich wegen Gottfried Hoffmanns Sperenzchen von der Stelle zu bewegen.
    Krachend schlug die Axt in die Tischplatte ein. Holz splitterte, die Becher fielen zu Boden, und der Tisch brach in der Mitte auseinander.
    Weitere Aufschreie ertönten. Die ersten Gäste erhoben sich und versuchten unauffällig zum Ausgang zu gelangen, so als hätten sie sowieso gerade das Lokal verlassen wollen.
    »Los, komm, du Nutte!«
    Immer noch erstaunlich behände schoss Gottfried Hoffmann auf Elisabeth zu und verpasste ihr eine schallende Ohrfeige. Dann packte er sie am Arm und riss sie mit sich. Elisabeth stolperte über ihre Füße und schlug mit einem Wimmern der Länge nach zu Boden. Gottfried achtete nicht weiter auf sie, sondern schleifte sie einfach an den Haaren hinter sich her.
    »He, was soll das?«, nuschelte einer der Schreinergesellen und versuchte sich rülpsend aufzustemmen. Als er merkte, dass seine Beine ihn nicht trugen, ließ er sich schwer wieder auf die Bank zurückplumpsen.
    Den ersten Schreck überwunden, stürzte sich der Kartenmacher mit einem Satz, den man einem Mann seines Alters kaum zugetraut hätte, von hinten auf Gottfried Hoffmann, um Elisabeth aus seiner Umklammerung zu befreien.
    Im selben Moment war ein tiefes, grollendes Brummen zu hören, das vom Hofeingang kam. Im Torbogen stand, von der Abendsonne malerisch angeleuchtet, Gottfried Hoffmanns Obergetreuer, der Schnapsbrenner Jockel Lauer. An einer Lederleine hielt er einen zotteligen Bären, der schon auf allen vieren fast so hoch war wie ein Ochse, sodass Johanna hoffte, nie erfahren zu müssen, wie riesig er war, wenn er sich erst einmal aufrichtete. Das Tier hatte winzig kleine Augen und schnüffelte auf dem Boden herum wie ein Hund. Sie konnte seine Ausdünstungen riechen, obwohl sie sich mindestens zwanzig Schritte vom Eingang entfernt befand. Was für eine Bestie!, dachte sie.
    »Gottfried, ich …Ich kann Luzifer nicht …«
    Genau wie seine Stimme, die etwas geradezu Flehendes an sich hatte, wirkte der ganze Mann auf Johanna längst nicht mehr so dummdreist und selbstgefällig wie bei ihrem letzten Aufeinandertreffen. Jockel Lauers Hand, in der er die Leine mit dem Bären hielt, zitterte so sehr, dass das Leder kleine Wellen schlug.

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