Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
Reich. Die notwendige Reform der Kirche an Haupt und Gliedern misslang in Konstanz. Theologische Zweifel und die Suche nach dem richtigen geistlichen Leben begleiteten seither in immer radikaleren Ausprägungen die römische Kirche. Das von Sigmund mit vorbereitete Konzil von Basel und seine hilflosen Fortsetzungen in Florenz und Lausanne (1431–1449)scheiterten an mangelnder Konsensfindung. In Basel versuchte sich neben der Papstkirche eine konkurrierende Konzilskirche zu konstituieren. 1439 erhoben die Konzilsväter – ohne Zutun des römischen Königs – den verwitweten Herzog Amadeus VIII. von Savoyen als Felix V. zum letzten Gegenpapst in der Geschichte. Er vermochte sich nicht zu behaupten, entsagte 1449 seinem Amt und starb 1451. Ihren Todesstoß erhielt die konziliare Idee, als Papst Pius II. (1458–1464) in seiner Bulle
Execrabilis
jede Berufung an ein Konzil verbot. Die Fülle der päpstlichen Macht hatte sich endgültig gegen die Konsensgemeinschaft der Bischöfe durchgesetzt.
Die Internationalisierung der Konzilien hob die Bedeutung wissenschaftlicher Argumentation und die Notwendigkeit europäischer Lösungen hervor. Verhandelt und abgestimmt wurde von den Konzilsvätern nach Nationen. In Kontakten mit den italienischen, französischen, englischen und spanischen Konzilsnationen erlebten auch die Deutschen manche Identitätsfindung. Der römische König spielte seine Rolle als Vogt der römischen Kirche nur anfangs. Dann entglitt ihm die Gestaltungskraft. Sigmund verschwand geradezu in den Territorien seiner dynastischen Macht. Die Kurfürsten diskutierten bereits über seine Absetzung und zwangen den fernen König 1422 zum Erscheinen auf dem Nürnberger Reichstag. Der Zerfall königlicher Integrationsfähigkeit machte die Lösung dringender fiskalischer und militärischer Probleme aussichtslos. Wirtschaftlich und administrativ fiel das Reich im europäischen Vergleich immer weiter zurück. Modernisierung fand nicht am Haupt, sondern bei den Gliedern statt, bei Kurfürsten, Fürsten, Grafen und Städten. Immer deutlicher trat das Reich neben den König. Sigmund nahm diesen Dualismus auf und deutete die beiden Köpfe des Reichsadlers, die sich seit dem 14. Jahrhundert aus dem einköpfigen Adler entwickelt hatten, als Zeichen für König und Reich. Im Lauf des 15. Jahrhunderts formierte sich auch die deutsche Nation im Heiligen Reich. Das Schreiben von deutschen Landen und deutscher Nation gewann seit 1409 an Fahrt und spitzte sich seit 1474 zum erweiterten Reichstitel «Heiliges Römisches Reich deutscher Nation» zu.
Noch trauten viele Reformschriften dem Herrscher durchaus die Fähigkeit zur Problemlösung zu. Aufrüttelnde Ideen wurden 1439 sogar unter dem Namen Kaiser Sigmunds veröffentlicht. Nikolaus von Kues bedachte 1433 in seinem Buch
De concordantia catholica
auch die Reichsreform. Weil er den Kaiser unverändert als Universalherrscher beschrieb, in ihm den Vogt der Kirche, den Diener Gottes und den Vikar Christi auf Erden sah, forderte er die Stärkung kaiserlicher Gewalt. Die Schaffung eines stehenden Heeres, eines Steuersystems und unabhängiger Reichsgerichte sollte dabei helfen. Ebenso kannte Nikolaus das Reich als todkranken Körper. Wirksame Therapien erwuchsen ihm aus dem Prinzip der Konsensualität, der freiwilligen Zustimmung, der Harmonie, der Konkordanz und der Kaiserwahl. «Wer allen voran stehen will, soll auch von allen gewählt werden.» Dem wirklichen Kaiser halfen solche Ideen nur wenig.
Sigmund hatte seine Präsenz in Konstanz trotz der Nähe zum neuen Papst nicht für eine zügige Kaiserkrönung nutzen können. Spät erst griff er in Oberitalien ein. Am 25. November 1431 wurde er in Mailand zum italienischen König gekrönt. Doch der erhoffte rasche Sprung nach Rom verzögerte sich. Lange musste der König auf die Bereitschaft Papst Eugens IV. (1431–1447) warten, der ihm endlich am 31. Mai 1433 im römischen Petersdom die Kaiserkrönung spendete. Erstmals seit der Erhebung Friedrichs II. 1220 legte ein rechtmäßiger Papst nach 213 Jahren wieder persönlich Hand an die Kaiserkrone. Selbstbewusst datierte Sigmund mehrere Privilegien auf den Krönungstag. In Nürnberg, wohin er 1423 auf Ewigkeit die Reliquien und Insignien des Reichs gewiesen hatte, feierte man ein Freudenfest.
Nach Sigmunds Tod diktierte Eberhard Windecke († 1440), Mainzer Bürger mit guten Kontakten zum Kaiser, seine Denkwürdigkeiten. Zwei illuminierte Handschriften präsentierten die Herrschaft
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