Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
Wiederholt suchte Karl IV. die großen Erinnerungsorte auf. Nürnberg und Frankfurt am Main wurden im Kernland des Reichs zu bevorzugten Herrschaftszentren. Reisen nach Magdeburg, Lübeck oder Enger brachten den Gestaltungswillen auch im königsfernen Norden wieder zur Geltung.
Nach Italien war der neue römische König früh gerufen worden, vom Dichter Petrarca ebenso wie von der römischen Kommune unter Cola di Rienzo. Den Romzug bereitete Karl aber im Einvernehmen mit Papst Innocenz VI. (1352–1362) und der Kurie in Avignon vor. Für den Zug über die Alpen von 1354/55 boten die Erfahrungen des kaiserlichen Großvaters Heinrich VII. Vorbild wie Korrektiv zugleich. Karl IV. ließ sich kaum mehr auf die Auseinandersetzungen italienischer Fürsten und Städte ein und veranstaltete mit nur 300 Rittern kein militärisches Schaugepränge. Ziele waren die Kaiserkrönung und vielleicht die fiskalischeNutzung alter Reichsrechte. In seiner Regierungszeit spülten sie immerhin noch mehr als 850.000 Gulden aus Italien in die kaiserliche Kasse. Allein Florenz zahlte beim ersten Romzug pauschal 100.000 Gulden zur Tilgung ausstehender Reichssteuern. Papst und König beschworen den Zauber der drei Kronen, der silbernen (deutschen), der eisernen (lombardischen) und der goldenen (kaiserlich-römischen). Bei der italienischen Königskrönung griff Karl auf das großväterliche Vorbild zurück. Am Dreikönigstag, dem 6. Januar 1355, empfing er die von Heinrich VII. gestiftete Krone im Mailänder Dom.
Mit dem Papst war der Ablauf des römischen Zeremoniells verabredet worden. Nur einen einzigen Tag sollte sich der Kaiser offiziell in Rom aufhalten. Zuvor besuchte Karl, als Pilger verkleidet, die heiligen Stätten. Am 5. April 1355, dem Osterfest, empfingen Karl und seine dritte Gemahlin Anna im römischen Petersdom von einem päpstlichen Kardinallegaten die Kaiserkrönung. Die Krönungsordnung mit Korrekturen, die im liturgischen Vollzug den abwesenden Papst ersetzten, hat sich erhalten. Mittlerweile waren neben Bischöfen und Fürsten angeblich 5000 deutsche und böhmische sowie 10.000 italienische Ritter in Rom versammelt. Zum ersten Mal seit 1046 glückte die friedliche Prozession von St. Peter über die Engelsbrücke quer durch Rom zu St. Johannes im Lateran wieder. Zahlreiche Erhebungen in den Ritterstand und viele auf den Krönungstag datierte Urkunden schufen Erinnerung. Noch am Abend des Ostertags verließ das kaiserliche Paar die Stadt, um die neue Würde auf einem dreitägigen Kaiserfest in Tivoli zur Schau zu stellen.
Als Karl IV. ins Land nördlich der Alpen zurückkam, präsentierte er sich dort als erster unbestrittener Kaiser seit dem Deutschlandzug Friedrichs II. von 1235. Manche italienischen Hoffnungen zerplatzten dagegen. Karl brachte sein Kaisertum im Süden nicht mehr mit Waffengewalt, sondern mit Privilegien und Ernennungen zur Geltung. Enttäuscht schrieb ihm Petrarca: «Du trägst die eiserne Krone nach Hause und die goldene mit dem leeren Namen des Kaisertums. Man wird dich Kaiser der Römer nennen, und du bleibst doch nur ein König Böhmens.»Dafür glückte 1368 ohne viel Blutvergießen ein zweiter Romzug. Hier spendete der zeitweilig nach Rom zurückgekehrte Papst Urban V. (1362–1370) Karls vierter Gemahlin Elisabeth am 1. November 1368 die Krönung zur Kaiserin.
Auf zwei Hoftagen in Nürnberg und Metz regelte der Kaiser mit den Kurfürsten 1356 die Ordnung des Reichs: vor allem die Königswahl durch Mehrheitsentscheidung der sieben Kurfürsten, die Rechte des Königs wie der Kurfürsten, die zeichenhafte Ausgestaltung konsensualer Herrschaft (Sitzordnung, Prozessionsordnung, Tischordnung) und die zentralen Orte des Reichs (Königswahl in Frankfurt am Main, Königskrönung in Aachen, erster königlicher Hoftag in Nürnberg). Die Ausfertigungen der umfangreichen Bestimmungen in Pergamentbüchern für die drei Erzbischöfe, den König von Böhmen und den Pfalzgrafen bei Rhein sowie später für die Stadt Frankfurt am Main wurden mit dem goldenen Metallsiegel des Kaisers bekräftigt. Daher erhielt das kaiserliche Rechtsbuch den Namen «Goldene Bulle». Das meiste war nicht neu, sondern fixierte eine lange Rechtsentwicklung. Die sieben kurfürstlichen Königswähler – die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier, der König von Böhmen, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg – waren die Säulen des Reichs
(columnae).
Mit dem König bildeten sie einen
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