Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
des Reichs. Der Dualismus von Kaiser/König und Reich bestimmte immer deutlicher die deutsche Geschichte. Unter Hinweis auf ihr Recht zur Königswahl reklamierten die Kurfürsten 1400 die Befugnis zur Absetzung eines unnützen Königs. Im Rückgriff auf die päpstliche Absetzungsbulle Kaiser Friedrichs II. von 1245 setzten sie in einem formellen Verfahren Wenzel am 16. August 1400 als römischen König ab. Fünf Tage später wurde Pfalzgraf Ruprecht III. bei Rhein, nach Ludwig IV. der zweite Wittelsbacher auf dem Thron, zum neuen römischen König erhoben. Wenzel erkannte diesen Akt niemals an und regierte bis zum Lebensende 1419 als böhmischer König.
Mit König Ruprecht verschob sich die Handlungsmacht derMonarchie wieder in die Rheinlande. Doch seine Basis war zu bescheiden, um die imperiale Politik Karls IV. fortsetzen zu können. Beständige Schulden im Großen wie im Kleinen hielten dieses Königtum in Atem. Schon der erste Italienzug 1401/02 offenbarte die Grenzen der Möglichkeiten. Dem König standen jährliche Einkünfte von ca. 50.000 bis 60.000 Gulden aus seinen fürstlichen Territorien und ca. 25.000 aus dem Reichsgut zu. Sein Mailänder Gegner Gian Galeazzo Visconti verfügte dagegen über regelmäßige jährliche Steuereinnahmen von 1,2 Millionen Gulden und einem außerordentlichen Erhebungspotential von nochmals 1 Million Gulden. Gegen einen solchen Feind vermochte Ruprechts kleines Heer nichts auszurichten. Verarmt und gescheitert kehrte er mit Spott und Schande ins Reich zurück. Auf den Straßen der Städte sang man: «Oh, oh, der Göckelmann (Gaukler/Possenreißer) ist gekommen, hat eine leere Tasche gebracht, das haben wir wohl vernommen.» In Heidelberg fand Ruprecht 1410 sein Grab. Sein Sohn Pfalzgraf Ludwig III. ließ keine Ambitionen auf die Nachfolge erkennen.
Die große Auseinandersetzung zwischen Papst- und Kaisertum hatte unter Ludwig IV. noch einmal bewegende Höhepunkte mit gegenseitiger Absetzung oder Bannung erlebt. Die Flexibilität Karls IV. erlaubte dann eine klug beschränkte imperiale Politik. Am Ende standen schließlich die Marginalisierung wie die zunehmende Erschöpfung beider Streitparteien.
9 Letzte Romzüge
(1410–1519)
Um die Nachfolge Ruprechts stritten 1410 zwei Luxemburger. Gegen seinen Vetter Jobst von Mähren (römischer König 1410–1411) setzte sich Sigmund (1410–1437) durch. Der jüngere Sohn Kaiser Karls IV. war 1387 zum König von Ungarn erhoben worden und brachte mit Ausnahme Burgunds alle Kronen seines Vaters noch einmal zusammen. An die imperiale Machtentfaltungdes 14. Jahrhunderts vermochte er freilich nicht mehr anzuknüpfen. Seine große Leistung der ersten Jahre bestand im unermüdlichen Einsatz für die Einheit der Kirche. Als Vogt der römischen Kirche brachte er auf weiten Reisen mit diplomatischem Geschick das Konstanzer Konzil (1414–1418) zustande. Drei Päpste rangen gleichzeitig um ihre Rechtmäßigkeit: in Avignon Benedikt XIII. (1394–1417, † 1423), in Rom Gregor XII. (1406–1415, † 1417), in Pisa Johannes XXIII. (1410–1415, † 1419). Anders als Heinrich III. 1046 löste der römische König den Streit nicht mehr allein. Zur Einberufung des Konzils bediente er sich noch der Autorität von Johannes XXIII. Die Entscheidungen fällte dann eine europäische Kirchenöffentlichkeit. Für wenige Jahre wurde Konstanz zu einem Treffpunkt der christlichen Welt. Das Konzil brachte Gregor XII. zum Amtsverzicht, setzte Johannes XXIII. und Benedikt XIII. ab und wählte Martin V. (1417–1431) zum neuen Papst der kirchlichen Einheit. Mit kraftvollen Worten leitete das Konzil seine Autorität 1415 direkt von Jesus Christus ab. In apostolischer Tradition stellte sich die Versammlung der streitenden Kirche über die individuelle Gewalt des Papstes (Dekret
Haec sancta).
Um künftig nicht von den Zufällen päpstlicher Einberufung abhängig zu werden, wurden 1417 für die Zukunft regelmäßige Konzilien angeordnet (Dekret
Frequens).
In Konstanz stellte das Konzil nur die Einheit des Papsttums wieder her, nicht aber die Einheit in Glaubensfragen. Jan Hus und Hieronymus von Prag wurden wegen ihrer Lehre als Ketzer verurteilt und auf den Scheiterhaufen geschickt. Vor dem geistlichen Gericht galten die Zusagen auf freies Geleit, die Sigmund versprochen hatte, plötzlich nichts mehr. Die hussitische Lehre ließ sich aber nicht so leicht vernichten und entwickelte sich theologisch wie politisch zu einer gewaltigen Herausforderung für Kirche und
Weitere Kostenlose Bücher