Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
des letzten Luxemburgers in Wort und Bild. In neuer episodischer Narratologie erschien die Geschichte von der römischen Kaiserkrönung Sigmunds besonders unglaubwürdig. Sigmund habe im Beisein des Papstes den ersten Kardinal, der ihm die Kaiserkrone aufsetzen wollte, mit den Wortenzurückgewiesen: «Du bist nicht fromm und tugendhaft genug, um dem Kaiser seine Krone aufzusetzen, denn du hast einer Frau die Brüste abgeschnitten.» Der nächste Kardinal setzte dem knienden Kaiser die Krone dann so schief auf den Kopf, dass der Papst sie mit seinem rechten Fuß zurechtrücken musste, «wie es recht und herkömmlich ist». Angebliche päpstliche Fußkrönungen sind seit dem späten 12. Jahrhundert überliefert. Die Wiener Bilderchronik des Eberhard Windecke nimmt die unglaubliche Geschichte gar nicht auf und präsentiert ein klassisches Krönungsbild von Papst und Kardinal über dem sitzenden Kaiser. Doch die zweite Bilderchronik (heute in Privatbesitz) zeigt diese Fußkrönung. Wahrheit oder Legende? Eberhard Windecke war kein Augenzeuge. Er notierte jene Geschichten, die sich die Daheimgebliebenen erzählten und die bis zu den reformatorischen Streitschriften Ulrichs von Hutten deutsche Ängste vor päpstlicher Zurücksetzung schürten. Der päpstliche Fuß an der römischen Kaiserkrone mag Propaganda sein. Trotzdem besitzt die Geschichte einen tieferen Sinn: Die Kaiserkrönung war selten geworden, Rom fern, der Papst ein Spötter, die Deutschen getreten. So wuchsen die Affekte. Was musste sich die deutsche Nation noch alles bieten lassen? Das Römische und das Deutsche traten langsam auseinander. Bald formulierte die deutsche Kirche ihre Beschwerdeschriften gegen den römischen Zentralismus. Diese Gravamina der deutschen Nation führten in verschlungenen Kontinuitäten zur Reformation des 16. Jahrhunderts.
Kaiser Sigmund starb am 9. Dezember 1437 auf einer Reise von Prag nach Ungarn im mährischen Znaim. Die letzte Reise markiert die politischen Schwerpunkte ebenso wie die Grablege im ungarischen Wardein. Eberhard Windecke berichtet, man habe den Leichnam über drei Tage auf einen Stuhl gesetzt, «damit alle Leute sehen könnten, dass der Herr der Welt tot sei».
Am 14. März 1438 wählten die Kurfürsten Sigmunds Schwiegersohn, den Habsburger Albrecht II. (1438–1439). In seiner kurzen Regierungszeit kam er nicht ins Binnenreich und versäumte selbst den Zug zur Aachener Königskrönung. Nur aus der Rückschau markiert das Jahr 1438 darum den wichtigenThronwechsel von der luxemburgischen zur habsburgischen Familie. Den Zeitgenossen, seit Jahrhunderten an dynastischen Wandel gewöhnt, war die habsburgische Zukunftsfähigkeit nicht klar. Als Friedrich III. (1440–1493), ein Vetter Albrechts II., 1440 die Nachfolge antrat, begann die lange Habsburgerherrschaft im Reich. Friedrichs Amtsdauer von 53 Jahren, die längste in der römisch-deutschen Geschichte überhaupt, legte den Grundstein für die dynastische Traditionsbildung. Mit seiner Entscheidung, ausgerechnet den eigenen habsburgischen Vorfahren Friedrich den Schönen (1314–1330) aus der Nummerierung der kaiserlichen Friedriche auszuscheiden und sich nach den beiden Staufern Friedrich I. Barbarossa und Friedrich II. als Friedrich III. zu benennen, betonte der neue Herrscher imperiale Kontinuitäten. Nur mit der kurzen Ausnahme des wittelsbachischen Kaisertums Karls VII. (1742–1745) lenkten Friedrichs Nachfahren die Kurfürstenwahlen auf sich und hielten am Kaisertum bis 1806 unverbrüchlich fest. Der Kontinuitätsbegründung entsprach aber ein Kontinuitätsbruch. Friedrich III. war der letzte, der 1452 zur Kaiserkrönung durch den Papst nach Rom zog. Mit ihm endete jene Traditionslinie, die mit Karl dem Großen 800 wirkmächtig begonnen hatte.
Friedrich III. handelte in den Bahnen seiner Vorgänger und machte die eigenen Territorien im Südosten des Reichs über viele Jahre zum Handlungsort seiner Herrschaft. In unterschiedlichen Lebensphasen war er – mit unverkennbar persönlichen Zügen – freilich ein ferner wie naher Herrscher zugleich. Das Bild der älteren Forschung von der «Erzschlafmütze des Reichs» weicht neuerdings einer gerechteren Beurteilung, die auch die kauzigen Züge nicht verkennt. Die in Abwesenheit erfolgte Frankfurter Königswahl der Kurfürsten nahm Friedrich 1440 in Wiener Neustadt an. Beharrlich schmückte er die Residenz fortan mit der Glorie seines Hauses und eines persönlichen Herrschaftsstils. In der rätselhaften Devise
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