Die Kaiser des Mittelalters - von Karl dem Großen bis Maximilian I.
und Ritter, von wem ihr Worte vernehmt. Das verwundert mich nicht. Ihr seid ja so weit von den väterlichen Tugenden und Sitten zu Gebräuchen fremder Völker entartet, dass ihr auch uns fast zu Unbekannten geworden seid. Nur eure Stimmen und eure Sprache verstehen wir, ansonsten sind uns eure Sitten, Waffen, Gesinnungen und Kleidung fremd. Doch damit euch jeder von uns besser bekannt ist, schaut auf diese zwei uralten und heiligmäßigen Männer! Dies ist Karl der Große, jener Römische Kaiser, der durch seine bedeutenden Taten die Welt erleuchtete, das Römische Reich den Griechen entwand und es bei den Deutschen befestigte und erweiterte. Der andere, der zu seiner Rechten sitzt, ist Otto der Große, Römischer Kaiser, die Zierde und der Ruhm der Deutschen, ein einzigartiger Eiferer des rechten christlichen Glaubens. Ich bin ebenfalls ein Römischer Kaiser, Friedrich II. mit dem Beinamen Barbarossa [sic!]. Ich habe das zusammenbrechende Reich der Deutschen wiederhergestellt. Dabei habe ich die Verächter und Feinde des Römischen Reichs in die Flucht geschlagen, zerstreut, besiegt und die siegreichen Adler[Standarten] zu Lande und zu Wasser über den ganzen Weltkreis getragen.» Vergangene Größe rüttelte eine heruntergekommene Gegenwart auf. Geschichte diente wieder als Argument.
Maximilian I., Meister der Propaganda, setzte mit seinem humanistischen Helferkreis Herrschaft wirkungsvoll in Szene. Hofmaler, Graphiker und Buchdrucker verbreiteten in Bildern und Worten wirkungsvoll seinen Ruhm. Doch auch der Habsburger selbst sorgte für großartige Texte wie «Freydal», «Theuerdank» oder «Weißkunig», Inszenierung kaiserlicher Selbstdarstellung zur Stiftung bleibenden Gedächtnisses. Das neue Medium des Einblattdrucks nutzten Friedrich III. in 37, Maximilian bis 1500 schon in 129 Fällen. Seine rastlose Politik erreichte längst nicht alle Ziele. Bei vielen Rückschlägen gelang in zähen Verhandlungen und blutigen Kriegen wenigstens die Vereinigung der habsburgischen Erblande und die Behauptung wichtiger Teile der burgundischen Erbschaft.
In Italien vermochte Maximilian, nach dem Tod seiner ersten Gemahlin Maria mit Bianca Maria Sforza verheiratet, die Herrschaft des römischen Königs nicht mehr wirkungsvoll zur Geltung zu bringen. 1504 hatte er vergeblich am Kammergericht nach einem Buch über die Formen von Romzug und Kaiserkrönung fahnden lassen. An Sebastian Brant erging damals der Auftrag, eine Geschichte von sechs Romzügen zu schreiben. Der Kaiserkrönung wollte der Hof mit historischem Wissen entgegengehen. Das Buch, wäre es zustande gekommen, hätte von stetiger Ritualdynamik gehandelt, denn keine der letzten sechs Kaiserkrönungen zwischen 1220 und 1452 war nach gleichen Mustern verlaufen.
Doch der Italienzug von 1508 scheiterte an einem Bündnis Frankreichs mit Venedig und blieb bereits in Trient stecken. Hier nahm Maximilian I. mit Zustimmung des Papstes Julius II. (1503–1513) den Titel «Erwählter Römischer Kaiser» an. Die Kurfürstenwahl hatte mit Billigung des Papstes über die römische Krönung gesiegt! Nur noch Maximilians Enkel Karl V., seit 1520 Erwählter Römischer Kaiser, empfing die Kaiserkrone am 24. Februar 1530 aus der Hand des Papstes Clemens VII. (1523–1534), nicht mehr in Rom, sondern in Bologna. Danach schuf die kurfürstliche Wahl in Frankfurt am Main bis 1806 den römischen Kaiser. Auch die Krönung in der Aachener Marienkirche wurde seit 1562 in das Frankfurter Kollegiatstift St. Bartholomäus verlegt. Die Kette der mittelalterlichen Ritualakte wich praktischer Bündelung an einem einzigen zentralen Ort im Reich. Aus Österreich war Frankfurt ohnehin einfacher zu erreichen als Aachen.
Die Pflege der spätmittelalterlichen Adelskultur machte Maximilian später zum letzten Ritter. Sein großartiges Grabmal in der Innsbrucker Hofkirche verkündet noch heute den Glanz mittelalterlicher Traditionen für das Haus Habsburg wie für das Kaisertum. Als er am 12. Januar 1519 starb und in Wiener Neustadt bestattet wurde, wechselten die Zeiten. Das mittelalterliche Weltbild mit drei Kontinenten war 1492 in der Entdeckung Amerikas zerbrochen. 1517 hatte Martin Luther die römische Kirche herausgefordert. Die Reformation spaltete dieEinheit des Glaubens und setzte nach Maximilians Tod das Reich einer Zerreißprobe aus. Die Rom- und Italienpolitik der mittelalterlichen Kaiser wich unter Maximilians Enkel und Nachfolger Karl V. (1519–1556, † 1558) den globalen Perspektiven
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