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Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian

Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian

Titel: Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Bellen
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deren Kompetenz ein wertvolles Reservoir
     für Führungsaufgaben
domi forisque
darstellte. Die höchsten Mitglieder dieser Schicht hießen
primores civitatis
(Tac. ann. 1, 24, 1).
    Eine ähnliche Entwicklung wie im Senatorenstand ließ auch im Ritterstand eine Schicht nach oben kommen, die ihren politischen
     und sozialen Rang der Stellung ihrer Mitglieder als Amtsträger des Princeps verdankte. Es war Claudius, der die von Augustus
     geschaffene ritterliche Laufbahn durch die Eingangsstufe der
tres militiae
(Militärtribunat in einer Legion + zwei Präfekturen in Auxiliareinheiten) reglementierte und auch Primipilaren die Möglichkeit
     gab, (nach einem zweiten Primipilat) in die zivile ritterliche Karriere |31| einzutreten. Diese bestand in der Bekleidung von Prokuraturen, die in der Mehrzahl der Finanzverwaltung (der staatlichen wie
     der kaiserlichen) zugehörten. Die Stellung dieser Prokuratoren wurde von Claudius dadurch gestärkt, daß er ihnen allen im
     Jahre 53 vom Senat eigene Jurisdiktionsgewalt erteilen ließ (Tac. ann. 12, 60; Suet. Claud. 12, 1). Prokuratoren hießen seit
     Claudius auch diejenigen Ritter, denen der Princeps die Statthalterschaft über kleinere Provinzen wie Iudaea und die Regionen
     der Westalpen anvertraute. Über den Finanz- und Präsidialprokuratoren rangierten die hohen Präfekten
( praefectus praetorio, vigilum, annonae, Aegypti
) als Spitzen der ritterlichen Karriere und als einflußreiche Helfer des Princeps. Die Schicht der Prokuratoren und Präfekten
     verstand sich als
equestris nobilitas
(Tac. Agr. 4, 1).
    Es war ein relativ kleiner Kreis von Senatoren und Rittern, der sich aus den beiden Ständen heraushob und als elitäre Schicht
     dem Princeps am nächsten stand. Weit gefaßt gehörten zu diesen hohen Funktionären am Ende der julisch-claudischen Zeit etwa
     200 Personen. Aus ihnen wählte der Princeps seine Berater: Manche waren geradezu seine Freunde und Vertraute, andere wurden
     ganz offiziell als
principes civitatis
bezeichnet. So ist es jedenfalls für Tiberius ausdrücklich überliefert (Suet. Tib. 55), und für die folgenden Principes gibt
     es Hinweise, die in die gleiche Richtung führen. Zum Beispiel beriet sich Claudius im Jahre 48 mit den
potissimi amicorum
(Tac. ann. 11, 31, 1) und Nero im Jahre 63 mit den
primores civitatis
(Tac. ann. 15, 25, 2).
    Berater des Princeps besonderer Art waren L. Annaeus Seneca und Sex. Afranius Burrus in der frühen Phase des neronischen Prinzipats
     (54   –   62). Denn sie bestimmten praktisch die Politik jener Jahre, der Konsular und der Prätorianerpräfekt. In dem Traktat ›De clementia‹
     liegt zudem ein gewichtiges Dokument der Ansprüche vor, die Seneca als römischer Staatsmann und stoischer Philosoph an das
     Grundverhalten des Princeps stellte – und in der Praxis zu verwirklichen suchte. Den beiden berühmten Beratern Neros war die
     berüchtigte Ära des Prätorianerpräfekten L. Aelius Seianus unter Tiberius vorangegangen (23   –   31). Auch Seian hatte die Rolle als Berater des Princeps mit der des weitgehend selbst Regierenden vertauscht, anders aber
     als Seneca und Burrus strebte er nach der höchsten Macht in ihrem ganzen Umfang, nachdem er Drusus, den Sohn des Tiberius,
     durch Mord beseitigt hatte (23) und Tiberius selbst nach Capri übergesiedelt war (27). Mit dem Konsulat und der Verleihung
     des
imperium proconsulare
(31) stand er kurz vor Erreichen |32| dieses Ziels (der
tribunicia potestas
), als Tiberius die Bedrohung erkannte, die Seian in Wirklichkeit darstellte. Sturz und Tod waren die zwangsläufigen Folgen.

Tiberius nannte Seian „Stütze seiner Herrschaft“
( adiutor imperii
, Tac. ann. 4, 7, 1) – sehr zum Leidwesen seines Sohnes Drusus, der diese Rolle für sich allein beanspruchte und Grund dazu
     besaß. Denn abgesehen von dem Kommando
( imperium proconsulare
) in Illyrien (17   –   20) war ihm 22 die
tribunicia potestas
übertragen worden und damit die Anwartschaft auf den Prinzipat – wie einst seinem Vater (Tac. ann. 3, 56). Gerade diese der
     dynastischen Erbfolge dienende Förderung aber veranlaßte Seian zu seinem Mordplan. Der Tod des Drusus traf Tiberius um so
     schwerer, als er wenige Jahre zuvor (19) seinen Adoptivsohn Germanicus verloren hatte, der auf einer mit umfassenden Vollmachten
     unternommenen Orientmission (unten S. 51f.) vom Schicksal ereilt worden war. Nun stand kein Mitglied der julisch-claudischen
     Familie passenden Alters mehr zur Verfügung,

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