Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
„mitten in Germanien“ (Tac. ann. 2, 5, 4). Er legte daher im Jahre 16 den Zensus |51| Galliens in andere Hände (Tac. ann. 2, 6, 1) und widmete sich selbst ganz dem Krieg gegen die Germanen. Dieser verlangte sein
Eingreifen an der Lippe, wo das als Vorposten errichtete Kastell Aliso (Haltern?) belagert wurde. Mit 6 Legionen vertrieb
Germanicus die Belagerer und sicherte die Verbindung des Kastells zum Rhein durch neue Schneisen und Dämme. Zu einem großen
Schlag holte er dann gegen die Cherusker und ihre Verbündeten aus. Das auf 1000 Schiffen über die Nordsee herangeschaffte
Heer schlug die Germanen jenseits der mittleren Weser (Visurgis) bei Idistaviso und am Angrivarierwall. Die Rückkehr von Heer
und Flotte aber führte zu furchtbaren Verlusten durch eine Sturmflut. Nichtsdestoweniger unternahm Germanicus noch einen Vorstoß
ins Gebiet der Marser. Dabei hatte er das Glück, einen weiteren der von Varus verlorenen Adler zurückzugewinnen (Tac. ann.
2, 25, 1 – 2; vgl. oben S. 50). War dies der Lohn für seine Hartnäckigkeit gegenüber Tiberius?
Die Katastrophe im Ozean – so bezeichneten die Römer die Nordsee – gab Tiberius neuen Grund zur Unzufriedenheit mit Germanicus
und war letzten Endes entscheidend für dessen Rückberufung nach Rom. Tiberius schob freilich eine andere Aufgabe für Germanicus,
das Orientkommando, in den Vordergrund (Tac. ann. 2, 5, 1). Hinsichtlich der Cherusker und der anderen von Germanicus bekämpften
germanischen Stämme gab Tiberius die Parole aus, man solle sie, nachdem der Rache Genüge getan sei, ihren inneren Streitigkeiten
überlassen (Tac. ann. 2, 26, 3).
Germanicus kehrte zu Beginn des Jahres 17 nach Rom zurück und feierte am 26. Mai seinen Triumph „über die Cherusker, Chatten,
Angrivarier und die übrigen Völker diesseits der Elbe“ (Tac. ann. 2, 41, 2). Der Zug zum Kapitol demonstrierte der Bevölkerung
Roms die Berge und Flüsse Germaniens, die zahlreichen Schlachten, die Beute und die Gefangenen. Unter den letzteren dürfte
Thusnelda, der Gattin des Arminius, die größte Aufmerksamkeit zuteil geworden sein (vgl. die Statue der sog. Thusnelda in
der Loggia dei Lanzi, Florenz). Von der Beute waren die wiedergewonnenen Feldzeichen des Varus die kostbarsten Stücke. Einen
Widerhall scheint der Triumph im sog. Schwert des Tiberius aus Mainz (jetzt im Britischen Museum, London) gefunden zu haben:
Das Blech des Scheidenmunds zeigt Germanicus, wie er eine Victoria an Tiberius überreicht.
Gegen Ende des Jahres 17 übernahm Germanicus das ihm vom Senat verliehene
imperium proconsulare
, das in allen Provinzen des |52| Ostens, die er betrat, dem Imperium der betreffenden Statthalter überlegen war. Tiberius versah seinen Adoptivsohn mit genauen
Instruktionen
( mandata )
; sie gipfelten in der Armenien-Mission: Einsetzung eines neuen Klientelkönigs. Germanicus erfüllte diesen Auftrag im Laufe
des Jahres 18. Das nächste Jahr war überschattet von seinem Streit mit dem Statthalter Syriens, Cn. Calpurnius Piso, und am
10. Oktober dieses Jahres verstarb, wie schon oben S. 32 erwähnt, Germanicus Caesar in Daphne bei Antiochia – mit dem Verdacht,
vergiftet worden zu sein.
Der Senat beschloß Ende Dezember 19 außergewöhnliche Ehren für den toten Germanicus, die in aller Welt bekannt gemacht wurden;
sie sind auf einer Bronzetafel aus dem spanischen Municipium Siarum bei Sevilla im Wortlaut erhalten (Tabula Siarensis im
Archäologischen Museum von Sevilla). Unter diesen Ehren kommt der Inschrift, die für den im Circus Flaminius zu errichtenden
Ehrenbogen festgelegt wurde, besondere Bedeutung zu, weil sie den
res gestae
des Germanicus in West und Ost ihre endgültige Formung gab. Für den Westen bestanden demnach seine Leistungen in der Ordnung
und Sicherung Galliens, der Besiegung und Bestrafung der Germanen sowie der Rückgewinnung der Feldzeichen des Varus (Tab.
Siar. frg. I 13 – 15, Zeitschr. f. Papyr. u. Epigr. 86, 1991, 52 – 53). Ehrenbögen für Germanicus wurden auch auf dem Amanusgebirge in Syrien und am Ufer des Rheines errichtet, der letztere
bei dem
tumulus
, den das Heer für Drusus, den Vater des Germanicus, geweiht hatte (Eichelstein in Mainz).
Die Asche des Germanicus wurde im Mausoleum des Augustus beigesetzt. Agrippina (die Ältere), seine Gemahlin, hatte sie von
Antiochia nach Rom gebracht – mit Gefühlen der Rache und der festen Absicht, ihren drei Söhnen die
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