Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
genannt wurden. Die andere Schule hatte
in M. Cocceius Nerva und Proculus ihre Häupter; ihre Anhänger hießen Proculiani.
Bedenkt man, daß es seit Caligula fünf Richterdekurien (Suet. Cal. 16, 2) zu je 1000 Mitgliedern, insgesamt also 5000 Richter
gab, |46| die für die ordentlichen Prozesse bereitstanden, und nimmt man hinzu, daß Claudius die Gerichtsferien verkürzte (Suet. Claud.
23, 1) und der Prozeßverschleppung entgegentrat (Font. iur. Rom. anteiust. I 44), so muß man die Überzeugung gewinnen, daß
die Kaiser dem Gerichtswesen und damit dem Grundsatz, daß jeder zu seinem Recht kommen sollte, große Aufmerksamkeit schenkten.
Der Zivilprozeß vollzog sich als zweigeteiltes Formularverfahren vor dem
praetor (urbanus, peregrinus
) und einem
iudex
; für Erbschaftssachen höheren Streitwertes war der Zentumviralgerichtshof (mit
legis actio
) zuständig. Kriminalprozesse fanden vor den seit Sulla bestehenden bzw. unter Augustus hinzugekommenen
quaestiones perpetuae
mit einem
praetor
als Vorsitzenden und großer Geschworenenbank statt.
Während Tiberius bei Prozessen gegen hochgestellte Angeklagte das Senatsgericht bevorzugte, gab Caligula in solchen Fällen
seinem eigenen Gericht den Vorzug. Claudius war es dann, der durch seine Vorliebe für die Rechtsprechung überhaupt die Dominanz
des Kaisergerichts herstellte. Unter Nero schließlich wurde offenbar, daß die Gerichtsbarkeit des
praefectus urbi
sich über den ursprünglichen Rahmen
( servi, infima plebs
) auf alle Bürger bis in die höchsten Kreise ausgedehnt hatte und damit in Konkurrenz zu den Quästionen getreten war (Tac.
ann. 14, 41). Wie beim Senats- und Kaisergericht galt auch für das Gericht des Stadtpräfekten die Verfahrensform der
cognitio extra ordinem
, die gerade auf diesem Nährboden, zu dem außer Rom auch Italien gehörte, kräftig gedieh. Für Italien war es von nicht geringer
Bedeutung, daß die Kaiser mit den
cohortes praetoriae
und
urbanae
Truppen zur Verfügung hatten, die sie bei Gefährdung von Ruhe und Ordnung auch außerhalb Roms einsetzen konnten. Seit dem
Jahre 23 waren
praetoriani
und
urbaniciani
auf dem Viminal kaserniert
( castra praetoria
). Die Anzahl der Prätorianerkohorten stieg von 9 auf 12, die der Stadtkohorten von 3 auf 9. Von den letzteren stationierte
Claudius je eine in den Hafenstädten Ostia und Puteoli. Die Anwesenheit der Kohorte in Puteoli reichte indes nicht aus, um
im Jahre 58 einen Aufruhr zu verhindern. Erst eine Prätorianerkohorte als Begleittruppe zweier Abgesandter des Senats vermochte
die Ruhe wiederherzustellen (Tac. ann. 13, 48).
Bei der
seditio
in Puteoli handelte es sich um einen Streit zwischen Stadtrat
( ordo decurionum
) und Bürgerschaft
( plebs )
. Zu einem solchen Streit gab es manchen Konfliktstoff in den italischen Städten. In denen Kampaniens war er vor allem durch
die Existenz |47| einer Schicht reicher Freigelassener gegeben, deren Mitgliedern infolge der
lex Visellia
des Jahres 24 der Aufstieg in den Stadtrat verwehrt war (Cod. Iust. 9, 21, 1). Ihre politische Ausschaltung stand im Gegensatz
zu ihrer wirtschaftlichen Macht: Handel und Gewerbe waren die Quellen ihres Reichtums. Ein Spiegelbild dieser ‘Gesell schaft ’ ist uns im ›Satyricon‹ des T. Petronius mit dem „Gastmahl des Trimalchio“ erhalten, dessen Schauplatz vielleicht sogar Puteoli
war. Um künftigen Unruhen vorzubeugen, bezog Nero Puteoli in sein Kolonisationsprogramm ein. Schon im Jahre 57 hatte er Capua
und Nuceria durch Veteranen verstärken lassen, jetzt (60) erhielt Puteoli gar seinen Namen: Colonia Claudia Neronensis. Offenbar
war Nero an der Sicherung Kampaniens besonders interessiert. Freilich: die Naturgewalten konnte er nicht einkalkulieren. Sie
waren es, die Kampanien in den nächsten Jahren hart zusetzten. Im Jahre 63 (5. Februar) richtete ein Erdbeben in Pompeii schwere
Schäden an; auch andere Städte (Herculaneum, Neapolis, Nuceria) wurden in Mitleidenschaft gezogen (Sen. nat. quaest. 6, 1).
Zwei Jahre später (65) verwüsteten Wirbelstürme weite Teile Kampaniens.
Während in Kampanien die Städte so dicht beieinander lagen, daß die Kleinhändler mehrmals in der Woche auf verschiedenen Märkten
ihre Waren feilbieten konnten (Verzeichnis der Nundinae aus Pompeii: Corp. Inscr. Lat. IV 8863), prägten in Kalabrien riesige
Weideflächen die Landschaft. Schaf- und Rinderherden fanden hier im Sommer ihre Nahrung; den Winter verbrachten sie in
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