Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
Erlaß Hadrians setzte als Endtermin der Förderung das 18. bzw. 14. Lebensjahr fest (Dig. 34, 1, 14). Die Aufsicht über
das Funktionieren der Institution in den einzelnen Distrikten wurde von senatorischen
praefecti alimentorum
ausgeübt, wobei deren Amt öfters mit dem der
curatores viarum
(vgl. oben S. 10) gekoppelt war (z. B. Corp. Inscr. Lat. XIV 3599).
Das Alimentarwesen, wie es unter den ‘Adoptivkaisern’ in Erscheinung trat, prägte weitgehend die Sozialpolitik der Epoche
und überdauerte sie, erhielt jedoch weder von Commodus noch von den Severern neue Impulse. Seine Einrichtung entsprang offenbar
der Erkenntnis, daß der Bevölkerungsentwicklung in Italien, dem Kernland der römischen Bürger, Auftrieb gegeben werden müsse,
damit die Dominanz der
cives Romani
auf allen Gebieten, nicht zuletzt dem des Militärwesens, aufrechterhalten bliebe. In der Form, wie die
alimenta
zustande kamen (aus Zinsen für Kredite an landwirtschaftliche Betriebe), war die Institution zugleich aber auch ein Mittel
der Agrarpolitik (vgl. unten S. 147). Schließlich reihte sie sich ein in Maßnahmen der ‘Adoptivkaiser’, die ganz bewußt auf
die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen allüberall gerichtet waren.
|125| Handgreifliche Beweise für die diesbezüglichen Absichten der ‘Adoptivkaiser’ lieferten die von Hadrian und Marcus Aurelius
vorgenommenen großen Schuldentilgungen. Im Falle Hadrians handelte es sich um die Riesensumme von 900 Millionen Sesterzen,
die er den Staatsschuldnern in Rom und Italien erließ (Hist. Aug. Hadr. 7, 6). In einer großartigen Geste ließ er im Jahre
118 die Schuldtafeln auf dem Forum Traiani öffentlich verbrennen. Eine Inschrift, von Senat und Volk an Ort und Stelle errichtet
(Corp. Inscr. Lat. VI 967), rühmte ihn, daß er „nicht nur seine jetzigen Mitbürger, sondern auch deren Nachkommen sorgenfrei“
gemacht habe (wegen der Ankündigung einer späteren Wiederholung des Tilgungsaktes). Auf Münzen wurde die Szene bildlich dargestellt
und mit entsprechender Legende versehen (Rom. Imp. Coin. II 416, Nr. 590). Auch die Provinzen ließ Hadrian an dem Schuldenerlaß
in bestimmter Weise teilhaben.
Nicht so spektakulär wie die Schuldentilgungen, aber doch auch Freude auslösend wirkten die Lockerungen hinsichtlich der 5%igen
Erbschaftssteuer
( vicesima hereditatium
), die Nerva und Trajan verfügten. Sie erweiterten den Kreis der von der Steuer befreiten Erben um die Verwandten zweiten
Grades und entbanden bei kleinen Erbschaften oder Erbschaftsanteilen jedweden Empfänger von der Steuerpflicht (Plin. min.
paneg. 37 – 40). Im Erbrecht verschaffte das unter Hadrian (133?) ergangene
SC Tertullianum
den Frauen eine bessere Stellung, insofern ihre Erbfähigkeit gegenüber den eigenen Kindern anerkannt wurde (Inst. 3, 3, 2).
Umgekehrt gab das
SC Orfitianum
unter Marcus Aurelius (178) den Kindern das Intestaterbrecht an der Hinterlassenschaft ihrer Mutter (Inst. 3, 4 pr.).
Ein eigentümliches Merkmal der Sozialpolitik im Zeitalter der ‘Adoptivkaiser’ war die Übernahme von Schutzfunktionen und die
Ausbildung von Schutzrechten für sozial Schwache durch den Staat. In den betreffenden Maßnahmen verband sich das Staatsinteresse
mit humanitären Tendenzen der Epoche. Eine bevorzugte Zielgruppe dieser Maßnahmen bildeten die unter Vormundschaft stehenden
Waisen. Ihre Stellung gegenüber dem Vormund
( tutor
) erfuhr, abgesehen von zahlreichen für sie günstigen Rechtsbescheiden, eine besondere Sicherung durch die Einsetzung des
praetor tutelarius
unter Marcus Aurelius (Hist. Aug. Marc. Aur. 10, 11). Diesem Amt stand mit der
cognitio extra ordinem
ein wirksames Mittel zur Durchsetzung des staatlichen Schutzes für die Waisen zur Verfügung.
|126| Es mußte in die Augen fallen, daß von der sozialen Welle, die im 2. Jahrhundert sich im Römischen Reich bemerkbar machte,
auch die Sklaven erfaßt wurden. In bezug auf sie erschien jede Verbesserung ihrer insgesamt bedauernswerten Lage als humanitär,
auch wenn bei mancher sie betreffenden Entscheidung das Staatsinteresse den Vorrang hatte. So verbot Hadrian, die Sklaven
in Gefängnissen
( ergastula
) zu halten, von denen aus sie gefesselt an ihre Arbeit auf die Felder gingen (Hist. Aug. Hadr. 18, 9) Er wandte sich auch
sonst gegen grausame Behandlung der Sklaven: Eine Frau, die ihre Sklavinnen aus geringfügigen Anlässen mißhandelt hatte, bestrafte
er mit Verbannung auf 5
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