Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
sog. Honorarrecht erfuhr nun keine Fortbildung mehr, es sei denn auf dem Wege der Interpretation.
Unter Antoninus Pius schrieb Salvius Iulianus sein Meisterwerk |128| ›Digesta‹ in 90 Büchern. Es bezeichnete den Höhepunkt der Rechtsliteratur des 2. Jahrhunderts, die insgesamt als Hochklassik
von der Frühklassik – ihr gehörte noch Julians Lehrer L. Iavolenus Priscus an – unterschieden wird. Das Digestenwerk Julians
war zweigeteilt: Im ersten Teil wurde das Honorarrecht behandelt, im zweiten das Zivilrecht. Zu letzterem zählten
leges, senatusconsulta
und
constitutiones principum
. Während Salvius Iulianus die Tradition der sabinianischen Rechtsschule (oben S. 45) fortsetzte, waren Iuventius Celsus und
Neratius Priscus Prokulianer (oben S. 45). Von ersterem stammt übrigens die berühmt gewordene Definition des Rechts als der
„Wissenschaft von dem, was gut und gerecht ist“
( ius est ars boni et aequi
, Dig. 1, 1, 1 pr.). Alle drei Juristen waren Senatoren und konnten eine glänzende Ämterlaufbahn vorweisen.
Neben diesen der römischen Führungsschicht angehörenden Juristen waren in der Hochklassik andere am Werk, die sozial niedriger
und der juristischen Praxis ferner standen. Ihre Bedeutung verdankten sie hauptsächlich den von ihnen verfaßten Lehrbüchern,
Sex. Pomponius seinem ›Enchiridium‹, Gaius seinen ›Institutiones‹. Aus dem Handbuch des Pomponius gelangte der die Rechtsquellen,
Gerichtsmagistrate und Juristen behandelnde Teil in das ›Corpus Iuris‹ Justinians und ist dort als eine kurzgefaßte römische
Rechtsgeschichte erhalten (Dig. 1, 2, 2, 1 – 53). Gaius’ Einführung in das römische Recht hat als Buch die Zeiten überdauert (Wiederauffindung 1816); die darin gebotene
Einteilung der Rechtsmaterie in Personen-, Sachen-, Prozeßrecht liegt aller späteren Systematisierung von den Institutionen
des ›Corpus Iuris‹ bis zum deutschen ›Bürgerlichen Gesetzbuch‹ des Jahres 1900 zugrunde.
Einen neuen Juristentyp verkörperten L. Volusius Maecianus und Q. Cervidius Scaevola. Beide waren Ritter, besaßen das
ius respondendi
und gehörten dem kaiserlichen Konsilium an. Bei Maecianus hatte Marcus Aurelius seine juristische Ausbildung absolviert (Hist.
Aug. Marc. Aur. 3, 6), Scaevola war sein wichtigster juristischer Berater (ebd. 11, 10). Die beiden Männer vollzogen stellvertretend
für eine ganze Gruppe die Ablösung der bisher senatorisch geprägten Jurisprudenz durch eine solche, deren führende Köpfe aus
dem Ritterstand hervorgingen. Ihren Grund hatte dieser mit Hadrian beginnende Wandel einmal in der Förderung, welche die ritterliche
Karriere durch diesen Kaiser erfuhr (unten S. 130f.), zum anderen in dem erhöhten Bedarf an Juristen, der sich durch das verstärkte
Engagement Hadrians und seiner Nachfolger auf dem Gebiet von Recht und Gesetz zwangsläufig ergab. Bedeutsam war vor allem, |129| daß die für das kaiserliche Reskriptenwesen zuständige Kanzlei
a libellis
einen Ritterjuristen zum Vorsteher erhielt. Maecianus war einer der ersten (Corp. Inscr. Lat. XIV 5347 / 8).
Ritter hatten schon unter Domitian einen bestimmten Anteil am kaiserlichen Konsilium (oben S. 99). Diese Praxis setzte sich
unter Hadrian fort (Hist. Aug. Hadr. 8, 9) und führte schließlich dahin, daß das Gremium manchmal geradezu paritätisch besetzt
wurde. Das war z. B. 177 bei der Beratung über eine Bürgerrechtsverleihung an die Familie eines Berberfürsten der Fall: Das
Konsilium bestand aus 6 Senatoren und 6 Rittern (Tabula Banasitana/Maure tania Tingitana: Année épigr. 1971, 534). Parallel zur Zunahme der Ritter im kaiserlichen Konsilium verlief die vermehrte Heranziehung
von Juristen zu eben diesem Gremium, wobei deren Standeszugehörigkeit den jeweiligen Gegebenheiten entsprach: Zunächst (unter
Hadrian) dominierten die Senatoren, dann (seit Marcus Aurelius) die Ritter. Es gab Fälle, bei denen der Kaiser (hier: Marcus
Aurelius) ausschließlich Juristen zu Rate zog (Dig. 37, 14, 17 pr.).
Der auffälligste Wirkungsbereich des kaiserlichen Konsiliums war die Teilnahme an Gerichtssitzungen, welche die einzelnen
Kaiser an dafür geeigneten Stellen in Rom abhielten. Trajan bevorzugte das Forum des Augustus und die Porticus Liviae (auf
dem Esquilin), Hadrian das Forum Romanum und das Pantheon (auf dem Marsfeld). Daneben aber begann (unter Hadrian) eine Entwicklung,
welche darauf hinauslief, daß die Kaiser nur mehr in einem
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