Die Kaiserzeit von Augustus bis Diocletian
Jahre (Dig. 1, 6, 2). Antoninus Pius nahm ein Vorkommnis in der Baetica zum Anlaß, um rundheraus zu
erklären, daß es im Interesse des Staates liege, daß Sklaven nicht grausam behandelt würden. Er dehnte daher das in Rom schon
bestehende Beschwerderecht der Sklaven (oben S. 44) auf die Provinzen aus: Erwiesen sich Klagen von Sklaven gegen ihre Herren
als berechtigt, so sollten sie deren
potestas
entzogen und an andere Herren verkauft werden (Dig. 1, 6, 2). Der zeitgenössische Jurist Gaius konstatierte angesichts solcher
sklavenfreundlichen Neuerungen, daß eine Zeit angebrochen sei, in der es niemandem mehr im Römischen Reich erlaubt sei, „gegen
seine Sklaven zu wüten“ (Dig. 1, 6, 1, 2).
Einen Prüfstein für die Ehrlichkeit der Bemühungen, das Los der Sklaven zu mildern, bildete das Verhalten der Gesetzgebung
gegenüber der Freilassung, die dem Sklaven die Freiheit bescherte, ihn also gewissermaßen zu einem neuen Menschen machte.
Sinnen und Trachten der Sklaven waren ja weitgehend auf die Freilassung gerichtet, wie etwa das im 2. Jahrhundert entstandene
›Traumbuch‹ des Artemidorus von Ephesus bezeugt (z. B. 1, 58). Es ist nun bezeichnend, daß unter den ‘Adoptivkaisern’ eine
Einstellung verstärkt zur Geltung kam, welche die Erlangung und Sicherung der Freiheit begünstigte
( favor libertatis
). Typisch für diese Einstellung war die von Marcus Aurelius (und L. Verus) erlassene Konstitution, daß ein Sklave, der einem
Dritten Geld gab, damit dieser ihn kaufe und dann freilasse (sog.
redemptio servi suis nummis
), das Recht erhielt, die Freilassung einzuklagen, wenn jener Dritte sie nicht vornahm (Dig. 40, 1, 4). Eine ähnliche Sachlage
– Verkauf eines Sklaven mit Freilassungsauflage – veranlaßte Marcus (zusammen mit Commodus) zu der Festlegung, daß bei Nichterfüllung
der Verpflichtung der Sklave von Gesetzes wegen die Freiheit erhalten sollte (Cod. Iust. 4, 57, 2).
|127| Kaiserliche Verfügungen waren inzwischen, wie früher schon Senatsbeschlüsse (oben S. 44 f.), an die Stelle von Volksgesetzen
( leges
) getreten und hatten deren Rechtscharakter erlangt. Juristisch wurde die Gesetzeskraft der Kaiserkonstitutionen aus der
lex de imperio
hergeleitet. Als Formen der
constitutiones principum
galten
edicta, rescripta
und
decreta
(Gai. Inst. 1, 5). Während kaiserliche Edikte wichtige Entscheidungen allgemeiner Art trafen (vgl. die augusteischen Edikte
von Cyrene, oben S. 20), gingen Reskripte auf Einzelfälle ein, waren aber nichtsdestoweniger verallgemeinerungsfähig. Dekrete
betrafen Urteile des Kaisers als Gerichtsherrn. Im 2. Jahrhundert nahm die Zahl der kaiserlichen Reskripte stark zu. Sie ergingen
entweder als „Vermerk“
( subscriptio )
, der auf der Eingabe angebracht wurde, oder als selbständiger „Brief“
( epistu la
). Im ersteren Falle war die Kanzlei
a libellis
, im letzteren die
ab epistulis
für die Ausfertigung der Entscheidung des Kaisers zuständig. Beispiele für
epistulae
sind die Antworten Trajans auf die Anfragen des jüngeren Plinius als Statthalters von Bithynien (Plin. min. ep. 10. Buch),
subscriptiones
finden sich neben
epistulae
häufig in den Juristenschriften zitiert. Die gesamte Reskriptenpraxis erhielt entscheidende Impulse durch Hadrians Interesse
an den Angelegenheiten aller Reichsangehörigen.
Mit den Reskripten übernahmen die Kaiser des 2. Jahrhunderts Aufgaben, die sich mit denen der Juristen überschnitten, die
das
ius respondendi ( ex auctoritate principis
) ausübten (vgl. oben S. 8. 45). Es kam zu einem fruchtbaren Neben- und Miteinander, das der Rechtsentwicklung vor allem im
Sinne der Rechtsschöpfung zugute kam. Die großen Respondierjuristen waren ja alle auch
amici principum
und wirkten als solche bei den kaiserlichen Entscheidungen in Rechtsangelegenheiten ebenso mit wie bei kaiserlichen Gerichtssitzungen.
So ist von Hadrian bekannt, daß er P. Iuventius Celsus, P. Salvius Iulianus und L. Neratius Priscus zu seinen bevorzugten
Konsiliaren zählte (Hist. Aug. Hadr. 18, 1). Dem bedeutendsten unter ihnen, Salvius Iulianus (cos. 148), übertrug Hadrian
die Aufgabe, die Edikte der Prätoren und Ädilen, in denen sich in jahrhundertelanger Entwicklung die Richtlinien für den Rechtsverkehr
angehäuft hatten, zu redigieren und zur abschließenden Veröffentlichung vorzubereiten (Eutr. 8, 17). Letztere erfolgte wohl
gegen Ende der Regierungszeit Hadrians. Das im
edictum perpetuum
festgeschriebene
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