Die kalte Brut
gemeldet hatte. Seine Narben kamen nicht von ungefähr, und nicht nur Holloway hegte den Verdacht, daß Roven diese Narben sammelte wie andere Leute Briefmarken oder Münzen. Sie schienen für ihn die Bedeutung morbider Trophäen zu haben.
Und obendrein gelang es Neech Roven immer, auch andere mit seinem bisweilen an Besessenheit oder Wahnsinn grenzenden Wagemut zu infizieren. Für jeden Job schaffte er es, andere Freiwillige um sich zu scharen - so auch hier und jetzt.
Chad Holloway zuckte die Schultern. Ihm sollte es recht sein; das enthob ihn der unangenehmen Pflicht, weitere Männer für den Einsatz zu bestimmen.
»Chief Inspector?«
Neech Rovens Stimme erreichte Holloway wie von weit her, und erst da registrierte er, daß er tief in Gedanken versunken und meilenweit weg gewesen war. Er schrak beinahe auf.
»Okay, Roven«, brummte er schließlich, »holen Sie Ihre Männer her.«
Neech Roven, hochgewachsen und sehnig, drehte sich kurz um und hob nur die Hand. Augenblicklich lösten sich fünf Männer aus der Menge von Polizeibeamten und traten zu ihm und Holloway. Ringsum wurden die Stimmen der Reporter lauter. Niemandem entging, daß sich eine Wendung in der Sache anbahnte.
Holloway bedeutete zwei Uniformierten, die Medienvertreter auf Abstand zu halten. Dann wandte er sich an Roven und die fünf weiteren Freiwilligen. Sie trugen schußsichere Westen und Helmfunkgeräte und waren mit Pumpguns bewaffnet. Zwei der Männer verdienten diese Bezeichnung kaum: Sie schienen gerade erst der Aca-demy entsprungen und waren vermutlich noch feucht und grün hinter den Ohren. Jungs eben, die zu einem Kerl wie Neech Roven aufsahen, der Rambo-Filme und Realität gern verquickte, und die zur Polizei gegangen waren, weil sie an ganz ähnlichen Problemen litten.
Arme Irre, dachte Holloway bitter. Laut sagte er dann: »Also, Männer, ihr wißt, was ihr zu tun habt. Ihr geht in das Haus rein, durchsucht es und meldet über Funk alles, was ihr seht, und wenn es euch noch so unwichtig erscheint, klar? Ich will mit euren Augen sehen, und ich will verdammt gut und verdammt alles sehen und jeden verdammten Furz riechen, verstanden?«
Die Männer nickten knapp, zwei oder drei murmelten ein »Ja, Sir«.
»Roven, Sie haben das Kommando. Abmarsch - und viel Glück.«
Chad Holloway hatte das ungute Gefühl, daß die Männer genau das brauchen würden: viel Glück.
Noch unangenehmer aber war das Gefühl, das ihm suggerieren wollte, daß es nicht genug Glück gab; nicht in dieser Nacht, und nicht in diesem Haus .
*
Neech Roven dirigierte seine Männer auf das Haus zu, als hätten sich Terroristen darin verschanzt. Mit knappen Gesten und halblauten Befehlen wies er sie an, die karge Deckung, die das Gelände bot, auszunutzen und die dunklen Fenster des Hauses im Auge und Visier zu halten.
Entsprechend langsam erreichte der Trupp das Haus, das trotz der Scheinwerferbatterien, die es der Nacht entrissen, einem schwarzen Klotz gleich inmitten des Grundstücks lag, wie von titanischer Hand achtlos hingeworfen.
Ein paar breite Stufen führten zur Eingangstür hinauf. Links und rechts der Treppe hockten steinerne Fabelwesen, stummen Wächtern gleich. Rovens Waffenmündung pendelte zwischen den Statuen hin und her, als gehe er davon aus, daß die unheimlichen Kreaturen unversehens zum Leben erwachen könnten.
Zweien seiner Leute bedeutete er, ihm zur Tür hoch zu folgen. Sie postierten sich zu beiden Seiten des massiven Portals, während Neech Roven in der Mitte Aufstellung nahm. Die Entfernung zur Tür betrug eine Schrittlänge. Roven hob den rechten Fuß, stieß sich mit dem linken ab, rammte den Stiefel auf Schloßhöhe gegen das Holz - und fiel wie ein Stein zu Boden! Der harte Aufprall trieb ihm pfeifend die Luft aus den Lungen.
»Was ist los bei euch?« drang Chad Holloways knisternde Stimme aus Rovens Helmempfänger.
»Alles klar, keine Probleme«, gab Roven unleidig zurück. »Die Tür ist nur ein bißchen massiver, als ich es nach dieser verdammten Zaubershow vermutet hatte.«
»Vielleicht wohnt ja David Copperfield da drin«, gestattete sich einer der beiden anderen Männer zu bemerken.
»Yeah!« machte der zweite. »Und vielleicht überraschen wir ihn mit Claudia Schiffer in der Heia ...!«
»Schnau-!«
Die letzte Silbe blieb Neech Roven im Halse stecken. Ein hohes, rauhes Kreischen unterbrach ihn, und eine Sekunde lang starrten sie alle stumm und starr auf die Tür - - die so langsam aufschwang, als würde sie von
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