Die kalte Brut
machte Leslie den Eindruck, als wolle sie sich auf Seven stürzen, um ihr das Grinsen aus dem Gesicht zu kratzen. Die Reporterin wich unwillkürlich einen halben Schritt zurück.
Aber Leslie entspannte sich, ein wenig zumindest.
»Was ist das überhaupt für ein Kerl? Ich hätte dir mehr Geschmack zugetraut ...«, meinte sie.
»Was soll das heißen?« fragte Seven fast eingeschnappt.
»Daß frau sich nach so einem Typen nicht auf der Straße umdreht.« Leslie warf einen bezeichnenden Blick nach oben.
»Wie willst ausgerechnet du das einschätzen können?« Sevens Ton troff vor Häme.
»Du bist ein Miststück, Seven van Kees«, stellte Leslie Bentwick fest.
»Ich weiß. Und deshalb liebst du mich doch, oder?«
»Denkst du .«
»Ich weiß es.«
»Wenn du dich da mal nicht irrst ...«
Seven stützte die Hände in die Hüften. »Oh, wird das wieder eine deiner Drohungen, hier auszuziehen, mich zu verlassen und so weiter und so fort?«
Leslie holte Atem, aber Seven ließ sie nicht antworten.
»Sag mir Bescheid, wenn du dich wieder eingekriegt hast, okay? Dann besprechen wir alles in Ruhe bei einem Fläschchen Wein oder Champagner, ja? Bis dahin entschuldige mich bitte - ich habe Besuch, und ich möchte nicht als schlechte Gastgeberin dastehen. Das verstehst du doch?«
Seven flötete noch ein »Ciao!«, drehte sich um und trippelte die gewendelte Treppe empor. Zwei Sekunden später klappte eine Tür ins Schloß.
Zurück blieb Leslie Bentwick. Eine vor Wut kochende Leslie Bentwick! Und eine am Boden zerstörte ...
»Ich will nicht mehr, Seven«, flüsterte sie und sah starr dorthin, wo die Reporterin verschwunden war. »Ich halte das nicht mehr aus.«
Leslie Bentwick wünschte sich, nur einmal so stark zu sein wie Se-ven van Kees. Stark und konsequent genug, um die einzig richtige Entscheidung zu treffen.
Um ihr Leben endlich auf die Reihe zu bringen.
*
»Bist du sicher, daß du fit genug für die Arbeit bist?« Erasmus Hendriks' Miene drückte ehrliche, geradezu väterliche Sorge aus, als er Darren Secada mit Blicken maß.
Darren selbst fühlte sich seit der vergangenen Nacht zwar mindestens doppelt so alt wie der pensionierte Doc, und er stützte sich am Türrahmen ab, als würde er ohne diesen Halt umfallen, aber er nickte tapfer und brachte sogar eine Sparversion seines jungenhaften Grinsens zustande.
»Natürlich«, sagte er. »Außerdem - nichts für ungut, Doc - fällt mir hier nur die Decke auf den Kopf.« Er wies mit dem Kinn in Hendriks' Haus hinein, an dessen Eingangstür sie standen. »Ich brauche Ablenkung, das wird mir helfen.«
»Oh, die könnte ich dir auch bieten«, meinte Hendriks. »Wir könnten ein paar Vögel ausstopfen. Und in der Garage hätte ich noch ein totes Stinktier -«
Darren winkte ab. »Nein, danke. Ich sehe mir lieber ein paar tote Typen an.«
Am Steuer seines Wagens merkte Darren erst richtig, wie elend und müde er sich fühlte. Mehr als nur einmal übersah er um Haaresbreite rote Ampeln, und genauso oft »verschlief« er die Grünphase. Auf dem Weg zur Gerichtsmedizin zog er sich vermutlich den Unmut der Hälfte aller Autofahrer von Sydney zu .
Darren hatte seinen Job als Pathologe nie gehaßt, allenfalls ganz am Anfang hatte er Bedenken gehabt, daß dieser Beruf der richtige für ihn wäre. Dr. Erasmus Hendriks hatte es damals geschafft, diese Zweifel zu zerstreuen. Mehr noch: Er hatte seinen Schützling regelrecht für die Pathologie zu begeistern verstanden - und Fähigkeiten in Darren geweckt, von denen er selbst nicht einmal gewußt hatte.
Heute allerdings fiel Darren jeder Schritt in das »Reich der Toten«, wie er das Institut selbst nannte, unsagbar schwer, und nach jedem Schritt meldete sich der Wunsch in ihm, doch umzukehren.
Er hatte heute partout keine Lust auf den Tod. Weil er gestern Nacht eine Überdosis davon bekommen hatte .
*
»Mann, Darren, Sie sehen aus, als kämen Sie geradewegs aus einer unserer Schubladen!«
»Danke, Jimmy, das ist genau die Art von Komplimenten, auf die ich heute abfahre«, grunzte Darren.
Jimmy Potts, rothaarig, schlaksig und fast noch ein Teenager, war sein persönlicher Assistent. Das hieß, Jimmy war ihm nicht ausdrücklich zugeteilt, aber der Bursche arbeitete nun mal am liebsten mit Darren, und so waren sie eben im Laufe der Zeit zu einem Team geworden.
»Okay, okay, tut mir leid, Darren«, beeilte sich Jimmy zu versichern. »Jeder hat mal 'ne harte Nacht. Schwamm drüber.«
Was weißt du über meine
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