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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Hemdtasche. »Einverstanden, Radek – hier sind zehn Dollar im Voraus. Ich möchte mit dem Bus in die Stadt fahren. Ich möchte ein Zimmer in einem preiswerten Hotel im Viertel Vyšehrad, aber eins mit Nottreppe, die zu einem Nebeneingang führt. Dann möchte ich von der Hauptpost aus telefonieren und anschließend in einem billigen Restaurant eine üppige vegetarische Mahlzeit essen.«
    »Ich kenne da ein sehr preiswertes Hotel, ein ehemaliges Polizeiwohnheim, das nach dem Untergang des Kommunismus in eine Studentenpension umgewandelt wurde. Wenn Sie eingecheckt haben, bringe ich Sie zu einem kleinen jugoslawischen Restaurant. Alles vegetarisch bis auf das Fleisch.«
    Martin musste lachen. »Genau das Richtige.«
    »Und nach dem Essen? Wie wär’s mit einem Besuch in einer Bar? Ich kenne da eine, wo Studentinnen im Minirock kellnern, um sich was dazuzuverdienen.«
    »Vielleicht wenn ich das nächste Mal in Prag bin, Radek.« Martin nahm einen letzten Zug von der Beedie und drückte das brennende Ende in den Sand eines Aschenbechers. »Nach dem Essen möchte ich –« Er holte den Briefumschlag hervor, den Taletbek Rabbani ihm in London gegeben hatte, und warf einen kurzen Blick auf die Rückseite, »– zum Bahnhof in Vyšehrad auf der Svobodova-Straße.«
    »Der Bahnhof in Vyšehrad wurde von den Kommunisten geschlossen. Die Züge fahren da nur noch durch, ohne zu halten. Eine Zeitlang stand das Gebäude leer, und man konnte dort Drogen kaufen. Soweit ich weiß, wurde es von Tschechen gemietet, die eine Firma haben, An- und Verkauf.«
    »An- und Verkauf von was?«
    Radek zuckte die Achseln. »Weiß der Teufel – und der hat’s mir bisher noch nicht verraten.«
    »Ich möchte es aber gern wissen. Ich möchte rausfinden, was sie kaufen und verkaufen.«
    Radek setzte sich seine Mütze in einem kecken Winkel wieder auf.
    »Dann folgen Sie mir bitte, Mister.«
    Das Hotel in Vyšehrad entpuppte sich als blitzsauber und preiswert, wenn man auf eine offizielle Anmeldung verzichtete und für zwei Nächte im Voraus mit amerikanischen Dollars bezahlte, womit Martin gleich einverstanden war. Von seinem Zimmer im vierten Stock gelangten sie über eine schmale Nottreppe nach unten zur Küche und dann zu einer Hintertür, die auf einen Hof und von dort auf eine Seitenstraße führte. In der Hauptpost, die sie nach kurzer Fahrt mit der Straßenbahn erreichten, gab es einen Schalter für internationale Telefonate. Martin schrieb die Crown-Heights-Nummer auf einen Block, wartete, bis er an der Reihe war, und quetschte sich dann in die nach Kölnischwasser riechende Kabine.
    »Hallo«, rief er, als er Stellas Stimme hörte.
    »Wieso schreist du so?«, fragte sie.
    Er senkte die Stimme. »Weil ich weiter weg bin als bei meinem letzten Anruf.«
    »Sag mir nicht, wo du bist – seit ein paar Tagen hab ich ein merkwürdiges Echo im Hörer.«
    »Egal«, sagte Martin. »Die finden ohnehin in zwei, drei Minuten raus, dass das hier ein internationaler Anruf ist. In zwei, drei Tagen wissen sie dann, aus welcher Stadt ich angerufen habe, und eine Woche später verraten ihnen die hiesigen Agenten, dass ich von der Hauptpost in Prag angerufen hab.«
    »Das hast du ja nun schon erledigt.«
    »Die werden mir nicht glauben. Die denken, ich will sie auf eine falsche Fährte locken. Was hast du heute so gemacht?«
    »Ich komme eben vom Zahnarzt – er macht mir einen neuen Schneidezahn.«
    »Was für eine Geldverschwendung! Mir hat dein angeschlagener Zahn immer gefallen. Damit siehst du so …«
    »So was, verdammt? Jedes Mal, wenn du was Persönliches sagen willst, brichst du mitten im Satz ab, und alles verpufft wie heiße Luft.«
    »… zerbrechlich aus. Das Wort lag mir auf der Zunge.«
    »Ich weiß nicht genau, wie ich das finden soll. Was ist so toll daran, zerbrechlich auszusehen?«
    »Zunächst einmal bedeutet es, dass du nicht schon zerbrochen bist. Wer zerbrochen ist, hat mehrere Ichs. Estelle ist doch dein richtiger Name, nicht?«
    »Der Nachname Kastner wurde uns verpasst, als wir in die USA gekommen sind. Sie wollten auch meinen Vornamen ändern, aber das hab ich nicht zugelassen. Estelle, das bin ich.« Als er nichts erwiderte, sagte sie: »Bist du noch dran?«
    »Ich denke darüber nach, was du gesagt hast. Ich weiß, dass ich Leute gekannt haben muss, die nicht in Legenden leben. Ich kann mich bloß nicht dran erinnern.«
    »Legenden im Sinne von verschiedene Namen haben?«
    »Es ist wesentlich mehr als nur verschiedene Namen. Es

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