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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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dreißig Kronen die Stunde verlangt habe«, knurrte Radek, als er sich umdrehte und in die entgegengesetzte Richtung verschwand.
    Martin zündete sich eine Beedie an und schlenderte an einer Reihe von Mietshäusern vorbei die Svobodova-Straße hinunter Richtung Fluss. Auf der anderen Straßenseite ragte der Vyšehrad-Bahnhof in all seinem kommunistischen Elend auf: ein Gerippe in der Mitte und rechts und links kaputte Flügel, schmutziger, weißer Putz, der von der Fassade abblätterte wie sonnenverbrannte Haut. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt, doch in einzelnen Ritzen im Erdgeschoss war Licht zu sehen. Die Tauben auf dem Dach flogen zu zweit oder dritt auf, als Martin wieder zurückging, aber diesmal auf der Seite des Bahnhofs. Eine Straßenbahn ratterte vorbei und ließ die Erde erzittern. Hinter dem Bahnhof sauste ein Regionalzug in Richtung Zentrum. Die Bretter der unteren Fenster waren mit eselsohrigen Plakaten tapeziert, die ungarische Staubsauger und generalüberholte ostdeutsche Trabis anpriesen. Hinter einem Tor führte ein gepflasterter Weg um die linke Seite des Gebäudes herum. Martin schob das quietschende Tor vorsichtig auf, stieg ein paar gemauerte Stufen hoch und folgte dem Weg auf die Rückseite des Gebäudes. Offenbar wurde dieser Weg regelmäßig benutzt, denn Pflanzen und Unkraut auf beiden Seiten waren zurückgeschnitten worden. Auf dem ehemaligen Bahnsteig angekommen, spähte er durch ein schmutziges Fenster mit verrosteten Eisenstangen davor. Er sah zwei junge Männer, die große Kartons auspackten und Päckchen mit offenbar medizinischem Inhalt auf einen langen Tisch stapelten. Zwei junge Frauen packten alles in kleinere Kartons und verschlossen diese mit Klebeband. Einer der jungen Männer erblickte Martin und zeigte mit dem Daumen zu einer großen Doppeltür in der Mitte des Gebäudes. Martin nickte, und gleich darauf betrat er die einst prächtig verzierte, jetzt aber verfallene Bahnhofshalle, die nach frischem Gips roch. Anscheinend hatte jemand versucht, die schlimmsten Schäden des Gebäudes zu beheben. Über der Tür hing ein kaputtes Schild mit der Aufschrift »Vychod« – Ausgang. Die Fliesen auf dem Boden waren größtenteils gesprungen und bewegten sich unter seinen Füßen. Eine breite Treppe wand sich nach oben in den ersten Stock. An der Wand über der Treppe waren die Wörter »Soft« und »Shoulder« aufgemalt. Oben am Geländer im ersten Stock stand ein bulliger Hund mit platter Schnauze, der den Eindringling heiser ankläffte. Eine attraktive, elegant gekleidete Frau in den Fünfzigern erschien. »Keine Angst«, rief sie. »Der tut nichts, markiert nur den großen Hund, aber ich bring ihn weg.« Die Frau griff nach der Leine des Hundes, sperrte ihn in einen Raum und schloss die Tür, hinter der das Gebell augenblicklich wieder einsetzte. Dann drehte sie sich zu Martin um, der jetzt die Treppe hoch auf sie zukam, wobei er eine Hand auf das Geländer stützte, um sein lahmes Bein zu entlasten. Als sie ihm eine schlanke Hand entgegenstreckte, klimperte das halbe Dutzend Armreife, das sie am Handgelenk trug. »Mein Name ist Susanna Slánská«, sagte sie, als Martin ihre Hand ergriff.
    Er bemerkte, dass ihre Finger knochig waren, die Nägel abgebrochen, die Augen entzündet. Er vermutete, dass das verkniffene Lächeln auf ihren blassen Lippen dringend einer Auffrischung bedurfte. »Ich heiße Odum«, sagte er. »Martin Odum.«
    »Für welches Land kaufen Sie?«
    Da er nichts zu verlieren hatte, nannte Martin das erste Land, das ihm in den Sinn kam. »Elfenbeinküste.«
    »Unsere Kunden kommen nicht oft hierher, Mr. Odum. Das meiste läuft per Post. Wer hat Sie zu uns geschickt, wenn ich fragen darf?«
    »Ein Geschäftspartner von Samat, Taletbek Rabbani.« Er holte den Umschlag mit Rabbanis kaum leserlicher Schrift auf der Rückseite und zeigte ihn der Frau.
    Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. »Wir haben Anfang der Woche von Mr. Rabbanis Tod erfahren. Wann und wo haben Sie sich mit ihm getroffen?«
    »Genau da, wo Sie sich mit ihm getroffen haben – im Lagerhaus hinter der U-Bahn-Station in Golders Green. Ich war wahrscheinlich der Letzte, der ihn lebend gesehen hat – abgesehen von den Tschetschenen, die ihn ermordet haben.«
    »In dem kurzen Artikel in der britischen Zeitung war von Tschetschenen keine Rede.«
    »Kann gut sein, dass Scotland Yard dieses Detail noch nicht herausgefunden hat. Kann aber auch sein, dass sie es wissen, aber aus

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