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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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am Lauf fest. »Irgendwie hab ich das Gefühl, ich bin dir was schuldig«, sagte er zu Lincoln.
    Lincoln und Kiick gingen zu Daoud und seinem Enkel, die beide reglos am Boden lagen. Zwei Sanitäter knieten neben ihnen und horchten mit Stethoskopen auf irgendwelche Lebenszeichen. Sie blickten gleichzeitig auf und schüttelten den Kopf. Irgendjemand beleuchtete mit einer Handlampe die Toten und machte dann aus verschiedenen Blickwinkeln Fotos, ein anderer deckte sie anschließend mit silberner Plastikfolie zu. Ein Agent mit weißen Latexhandschuhen brachte die Pistole, die unter dem Leichnam des dicken Jungen gefunden worden war. Er hielt sie, mit dem Griff zuerst, vor sich, damit Kiick sie besser in Augenschein nehmen konnte.
    »Verdammter Mist«, sagte Kiick. Er schüttelte angewidert den Kopf. »Ich hab wirklich gedacht, die sei echt.«
    Bei der offiziellen Nachbesprechung im sechsten Stock in Langley machte Crystal Quest ihrem Ärger hemmungslos Luft. Alles, was schief gehen konnte, sei schief gegangen, schäumte sie. Die FBI-Agenten, die sich hinter dem Hangar als Wanderarbeiter getarnt hatten, waren von einem Kind entdeckt worden – einem Kind! – , noch ehe sie zuschlagen konnten. Daoud war in einen Kugelhagel gelaufen, um nicht lebend geschnappt zu werden. Lincoln Dittmanns Legende war aufgeflogen, als er Kiick das Leben gerettet hatte. Und um das Maß voll zu machen, hatten die FBI-Clowns unter Kiicks Befehl einen Jungen erschossen, der mit einer Wasserpistole bewaffnet war. Und die war nicht mal geladen. Leroy Streeter jr., der für das geplante Bombenattentat auf die Wall Street lebenslänglich hinter Gitter wandern würde, wusste herzlich wenig über die Al-Kaida-Zellen und noch weniger über den Saudi, der sie organisierte. Streeters Wissen beschränkte sich auf eine kleine Gruppe verrückter Rechtsextremisten in Texas, die längst von so vielen Polizeibeamten infiltriert worden war, dass praktisch die Hälfte der Mitgliedsgebühren staatlich finanziert wurde. Aber damit nicht genug, auch die Hoffnung, den Saudi zu schnappen, hatte sich am Abend zuvor in Luft aufgelöst, weil die Idioten vom argentinischen Geheimdienst den Angriff auf Boa Vista vermasselt hatten. Statt sich leise heranzupirschen, waren sie mit einem halben Dutzend riesiger Militärhubschrauber im Tiefflug mit eingeschalteten Lichtern aufgekreuzt, verdammt nochmal, und hatten bei der Landung im Ausbildungslager so viel Sand aufgewirbelt, dass die Hälfte der Fedajin sich davonmachen konnte. Von dem Saudi fehlte natürlich jede Spur.
    Quest schnappte nach Luft. Die wenigen Sekunden Stille nutzte Lincoln, um das Wort zu ergreifen. Immerhin wissen wir jetzt, wer der Saudi ist.
    Ausgangspunkt war die Spekulation über die chronische Nierenerkrankung gewesen. Leroy Streeters beiläufige Bemerkung über den Wohlstand des Saudis (»Dank Allah und seinem verstorbenen Vater ist er stinkreich«) ließ vermuten, dass er sich zur Behandlung in eine teure Privatklinik begeben hatte, woraufhin die saudischen Geheimdienststellen die Kliniken durchkämmt hatten, die von der königlichen Familie und reichen Geschäftsleuten bevorzugt wurden. Falls sie irgendetwas herausgefunden hatten, so behielten sie es für sich.
    Angesichts der saudischen Verzögerungstaktik konnte der amerikanische Außenminister überredet werden, seinen saudischen Kollegen auf die Sache anzusprechen. Binnen Tagen traf in Langley eine dicke Akte vom Geheimdienst in Riad ein, mit Hunderten von Fotos und den dazugehörigen biographischen Informationen. Lincoln hatte die Fotos in dem Konferenzraum neben Quests Büro durchgesehen, während ihm die DDO dabei nervös über die Schulter schaute. Bei etlichen stutzte er. Nein, nein, das ist er doch nicht, sagte er schließlich, unser Saudi hat unglaublich eindringliche Augen, als würden sie dich nicht ansehen, sondern in dich reinschauen. Beim zweiten Durchgang hatte Lincoln mit einer Lupe die Gruppenfotos studiert. Plötzlich hatte er sich über den Tisch gebeugt, um einen Mann genauer in Augenschein zu nehmen.
    Ich glaube – Was glauben Sie, Mann? Nun sagen Sie schon.
    Ich glaube, das ist unser Saudi. Ja, ganz bestimmt sogar. Sehen Sie sich die Augen an.
    Das Gruppenfoto war Jahre zuvor bei der Hochzeit eines siebzehnjährigen Saudis mit einer jungen Syrerin aufgenommen worden, die eine entfernte Verwandte von ihm war. Der Name des Bräutigams, laut Bildunterschrift der Riader Geheimdienstler, war Osama bin Laden. Wie sich

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