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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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mit Erregern für Cholera und Kamelpocken?«
    »Nichts dergleichen.« Martin lächelte unschuldig. »Durchsuchen Sie mich ruhig.«
    »Wie Sie wünschen.« Er drückte einen Knopf an einer Konsole. Martin hörte, wie es in dem anderen Büro summte. Der Rotgesichtige und die Frau, die an dem PC gearbeitet hatte, kamen herein.
    »Bitte seien Sie doch so nett, uns den Schlüssel für Ihren Koffer zu geben, Mr. Dittmann«, sagte die Frau, »und sich dann zu entkleiden.« Der Farbige kam um den Schreibtisch herum.
    Martin blickte die Frau an. »Ich geniere mich«, sagte er.
    »Nur keine Hemmungen, sie hat schon mal einen nackten Mann gesehen«, sagte der Rotgesichtige.
    Die beiden Männer nahmen sich gründlich jedes Kleidungsstück vor, das Martin ablegte, von seinem Dreiteiler bis zu den Socken. Besonderes Augenmerk widmete der Supervisor Martins Schuhen, die er nacheinander in ein Röntgengerät steckte. Die Frau leerte den Koffer auf dem Schreibtisch aus und nahm alles einzeln unter die Lupe. Die Zahnpasta wurde aus der Tube in einen Plastikbehälter gedrückt, Tabletten gegen Erkältung wurden aufgebrochen und inspiziert. Die kleine Dose Rasierschaum wurde geleert und dann mit einer Säge halbiert. Martin, der splitternackt mitten im Raum stand, überlegte, zu was für einem Witz diese Episode Stella wohl inspirieren würde, doch ihm wollte keine Pointe einfallen. Stella hatte offensichtlich Recht damit, dass er keinen Humor hatte. »Ich nehme an, Sie bezahlen mir die Sachen, die Sie kaputtgemacht haben«, sagte er, während er sich wieder anzog.
    Der Supervisor nahm die Frage ernst. »Sie kaufen sich die betreffenden Sachen neu und schicken uns die Quittung«, sagte er. »›Heathrow, Verderbliche Güter‹ müsste als Adresse genügen. Hier kennt uns jeder. Darf ich fragen, wie lange Sie gedenken, im Land zu bleiben, Mr. Dittmann?«
    »Ja, dürfen Sie.«
    Der Supervisor verzog keine Miene. »Wie lange gedenken Sie, im Land zu bleiben, Mr. Dittmann?«
    »Mein Name ist Odum, Martin Odum. Ich bin nach Großbritannien gekommen, um antibritische Witze zu erzählen, die sich im ganzen Land wie ein Lauffeuer herumsprechen und die Menschen von ihrem stumpfsinnigen Alltagstrott ablenken. Ich gedenke, so lange zu bleiben, wie die Leute darüber lachen.«
    »Er ist wirklich originell«, sagte der Farbige zu seinen Mitarbeitern.
    Der Rotgesichtige begleitete Martin hinunter in die Ankunftshalle. »Nichts für ungut«, sagte er mit deutlich ironischem Unterton.
    Martin folgte den Schildern zur U-Bahn und bemerkte sogleich die beiden Männer, die sich ihm an die Fersen geheftet hatten, der eine im Abstand von rund fünfzehn Schritten, der andere zehn Schritte hinter dem ersten. Verraten hatten sie sich durch die Konzentration, mit der sie sich jedes Mal die Auslagen der Boutiquen ansahen, wenn Martin sich umdrehte. Als er die Rolltreppe erreichte, die hinunter zum Bahnsteig führte, verschwand der Erste, der Zweite schloss auf, und hinter ihm tauchte ein Dritter auf. Bei dem Aufgebot an Leuten für die Beschattung von Lincoln Dittmann fühlte sich Martin richtig wichtig. Es war lange her, seit jemand ihn für so interessant gehalten hatte. Wie immer in einer solchen Situation befasste Martin sich mehr mit den Agenten, die er nicht sah, als mit denen, die er sehen sollte. Er fuhr mit der Piccadilly Line zum Piccadilly Circus und nahm die Rolltreppe zur Straße, wo er sich an die Seite eines Kiosks lehnte, um seinem Bein eine Ruhepause zu gönnen. Nach einer Weile schlenderte er in Richtung Tottenham Court Road, kaufte in einem Drugstore Zahnpasta und Rasierschaum und betrat schließlich einen Pub, über dessen Tür ein Neonschild surrte, was ihn an den Beiruter Hafen und Dantes alawitische Prostituierte namens Djamillha erinnerte. Er schwang sich am schwach beleuchteten Ende der Theke auf einen Hocker und trank ein kleines Glas Lager halb aus. Er öffnete seinen Handkoffer, schob das Päckchen mit den falschen Papieren in das weiße Seidenhalstuch, wischte sich damit über die Stirn und steckte es dann in die Tasche seiner Anzugjacke. Dann hob er den Koffer auf den Tresen, legte seinen Burberry-Mantel darüber und bat den Barkeeper, auf die Sachen ein Auge zu haben, bis er von der Toilette zurück sei. Martin warf nicht einmal einen Blick in Richtung seiner Beschatter, zwei draußen auf der Straße, einer an einem Ecktisch im vorderen Bereich des Pubs. Sie waren alle jung, und jung bedeutete unerfahren. Sie würden also auf den

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