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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Augen pochte ein dumpfer Schmerz. Einen schrecklichen Augenblick lang wusste er weder, wer er war noch wo er war. Das zweite Problem löste er zuerst, denn als er den trockenen Husten des alten Mannes hörte, der auf demselben Flur der Pension zwei Zimmer weiter wohnte, wusste er, wo er nicht war:im Südlibanon. Und als ihm allmählich wieder einfiel, in welcher Legende er steckte, beruhigte sich seine Atmung wieder.
    Vier Tage zuvor war seine Maschine in Heathrow gelandet, und Martin hatte die Passkontrolle reibungslos passiert. »Sind Sie geschäftlich oder zum Vergnügen hier?«, hatte die Beamtin gefragt.
    »Wenn ich Glück habe, zum Vergnügen, kommt auf die Tabernakel mit Alkoholausschank und die Museen an, in dieser Reihenfolge«, hatte er erwidert, woraufhin die Frau ihm einen Stempel in den Pass drückte. »Falls es Ihnen um gute Pubs geht, sind Sie bei uns genau richtig. Einen angenehmen Aufenthalt in England.«
    Nachdem Martin seinen Handkoffer vom Gepäckband gefischt hatte, wollte er den Schildern Richtung U-Bahn folgen, doch da stellte sich ihm ein korpulenter, junger Mann mit rosaroter Gesichtsfarbe in den Weg. »Mr. Odum, richtig?«, fragte er.
    »Woher kennen Sie meinen Namen?«
    Der junge Mann trug einen Trenchcoat, der ihm eine Nummer zu groß war, und ignorierte Martins Frage. »Dürfte ich Sie bitten, mich zu begleiten, Sir?«, sagte er.
    »Habe ich eine Wahl?«
    »Ich fürchte, nein.«
    »Sind Sie beim MI5 oder MI6?«
    »MI5, herzlichen Dank. MI6 hält Sie für radioaktiv und würde Sie nicht mal mit der Kneifzange anfassen.«
    Martin sah, wie drei weitere Männer in Trenchcoats näher kamen, also folgte er dem Mann durch die Ankunftshalle und dann eine Treppe hinauf, die auf einen Balkon über der Halle führte. Der junge Mann blieb vor einer Milchglastür mit der Aufschrift »Verderbliche Güter« stehen. Er klopfte zweimal an die Scheibe, öffnete die Tür und trat höflich beiseite. Drinnen saß eine Frau mittleren Alters, die einen Nadelstreifenanzug mit Krawatte trug, an einem PC. Ohne aufzublicken, zeigte sie mit dem Kopf in Richtung einer Tür, auf der das Wort »Supervisor« stand. Als Martin das Büro betrat, sah er einen Farbigen mit geschorenem Kopf, der durch eine halb geschlossene Jalousie die Gepäckbänder im Ankunftsbereich beobachtete. Der Mann drehte sich in seinem Schreibtischsessel um und lehnte sich zurück. »Ich gebe zu, Sie sehen nicht gerade wie ein durchschnittlicher Serienkiller aus«, sagte er mit honigsüßer Stimme.
    »Wie sieht denn ein durchschnittlicher Serienkiller aus?«
    »Glasige, starre Augen, meidet Blickkontakt, abgebissene Fingernägel, Mund hängt schlaff offen, Speichel läuft ihm über das Stoppelkinn. Wie Bela Lugosi in einer seiner typischen Rollen.«
    »Sind Sie Cop oder Filmkritiker?«
    Der Supervisor lachte und nahm dann eine vergilbte Karteikarte in die Hand. »Als wir das letzte Mal eine Spur von Ihnen hatten, waren Sie ein Typ mit zwei Inkarnationen. In der ersten waren Sie Dante Pippen, ein Ire, der sich weigerte, uns bei unseren Ermittlungen behilflich zu sein, nachdem die IRA mitten in London einen Bus in die Luft gejagt hatte. In der zweiten waren Sie Lincoln Dittmann, ein amerikanischer Waffenhändler, der seine Waren im Dreiländereck von Lateinamerika an den Meistbietenden verhökerte.«
    Martin sagte: »Da verwechseln Sie mich wohl mit irgendwelchen Bösewichten aus Billigfilmen.«
    »Das denke ich nicht«, erwiderte der Supervisor. Er zog die Brauen hoch und sah Martin lange an, während dieser von einem Bein aufs andere trat. »Wenn wir Stühle hätten, würde ich Ihnen einen anbieten. Tut mir Leid.«
    »Ich habe von Tel Aviv bis hierher gesessen«, sagte Martin. »Bin froh, die Beine ausstrecken zu können.«
    »Ach ja, in Israel haben Sie sich als Martin Odum ausgegeben, ein 08/15-Detektiv mit einem Büro im New Yorker Stadtteil –«, er warf einen Blick auf die Karteikarte, »– Brooklyn. Wirklich sehr einfallsreich. Irgend so ein Blödsinn, Sie würden nach einem verschwundenen Ehemann suchen, damit seine Frau eine religiöse Scheidung bekommt. Bei Ihrer Vergangenheit hat natürlich keiner diese Geschichte geschluckt, weder unsere Informanten in Israel noch wir hier in London. Also, was verkaufen Sie diesmal, Mr. Dittmann? Gebrauchte Kalaschnikows? Das in der Ukraine entwickelte passive Radarsystem, das angeblich Stealth-Bomber in fünfhundert Meilen Entfernung ausmachen kann? Als Talkumpuder getarntes Nervengas? Biowaffen

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