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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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die Idee wär ich im Leben nicht gekommen. Ha! Ist jemand wohl so nett, unseren Grünschnabel hier aufzuklären?«
    Quests Stabschef, ein dickhäutiger Opportunist, der in der Abteilung seiner Chefin schon so manchen Sturm überstanden hatte, sagte äußerst gelassen: »Dittmann und Odum sind ein und dieselbe Person, Frank. Sie hätten gesehen, dass die beiden Personalakten aufeinander verweisen, wenn Sie das Kleingedruckte auf der ersten Seite gelesen hätten.«
    »Das war Schnitzer Nummer eins«, teilte Quest Frank mit. »Wenn Sie das Kleingedruckte in Ihrem Arbeitsvertrag lesen, werden Sie lesen, welche Regel in meiner Abteilung gilt: Wer sich drei Schnitzer erlaubt, fliegt.« Sie vollführte mit ihrem Schreibtischsessel drei Drehungen, als wollte sie sich aufziehen wie ein Uhrwerk. »Also. Ich rekapituliere«, sagte sie und unterdrückte ihre Verärgerung. »Wir haben den ehrlichen Versuch unternommen, Martin Odum davon abzubringen, sich an Samat Ugor-Shilows Fährte zu heften. Martin ist ein erwachsener Mensch. Er tut das, was er tun muss. Und wir tun, was wir tun müssen, um zu verhindern, dass er diesen fraglichen Samat aufspürt. Die Sache ist überaus wichtig und verlangt daher unsere volle und ungeteilte Aufmerksamkeit. Wohin ist Martin Odum von Israel aus geflogen? Welchen Hinweisen folgt er? Mit wem will er sprechen? Welche Mittel und Wege stehen uns vor Ort zur Verfügung, und welche zusätzlichen Quellen können wir noch für entsprechende Maßnahmen anzapfen, ehe uns diese Sache um die Ohren fliegt?«

1997: MARTIN ODUM SPIELT DEN ARGLOSEN
    Martin beugte sich über den toten Hund und schlitzte den Bauch des Tieres mit einer Rasierklinge auf. Dann griff er mit der behandschuhten Hand in die Öffnung und zog die Organe heraus. Er gab einem der Fedajin ein Zeichen, und der junge Mann entfernte den Rahmen aus dem Bienenstock und stellte ihn behutsam neben den toten Hund auf die Straße. » Honig ist ungemein stabil « , sagte Martin lachend. » Sagen Sie ihm, das Zeug kann ihm erst ins Gesicht fliegen, wenn dieses schon explodiert ist. « Mit einer Spachtel kratzte er behutsam das Bienenwachs von den Waben, bis er eine Menge von der Größe eines Tennisballs zusammenhatte, dann verdrahtete er den Wachsball mit dem kleinen, selbst gebastelten Plastikfunkempfänger und steckte das Päckchen in die Bauchhöhle. Mit einer dicken Nadel und einem Stück Sehnenschnur nähte er die Öffnung zu, richtete sich auf und trat zurück, um sein Werk in Augenschein zu nehmen.
    » Irgendwelche Fragen? « , wollte er wissen.
    Einer der Fedajin sagte etwas auf Arabisch, und der Russe mit dem schweren Goldring am kleinen Finger übersetzte. » Er fragt, aus welcher Entfernung wir die Sprengladung zünden können? «
    » Kommt auf die Ausrüstung an « , antwortete Martin. » Mit einem schnurlosen Telefon oder einem Walkman geht es aus einer halben Meile Entfernung. Ein Piepser, wie ihn Arzte am Gürtel tragen, zündet aus fünf, sechs Meilen Entfernung. Ein VHF-Scanner oder ein Handy funktioniert über zehn bis zwölf Meilen, bei schönem Wetter und wenn es keine Frequenzstörungen gibt. «
    Gefolgt von seinen drei Schülern und dem Übersetzer stapfte Martin den Hang hinauf und ging hinter dem verrosteten Wrack eines UN-Jeeps in Deckung. Sie mussten nicht lange warten. Die israelische Patrouille, angeführt von einem Soldaten, der die Sandpiste mit einem magnetischen Minendetektor absuchte, kam um die Biegung. Der Soldat ließ das Gerät über den Hund gleiten, und da es nicht reagierte, ging er weiter. Als sein Kollege in Höhe des Hundes war, blieb er stehen. Irgendetwas musste ihm aufgefallen sein – wahrscheinlich die plumpen Stiche am Bauch des Hundes –, denn er ging neben dem Hund in die Hocke, um genauer hinzuschauen. Martin nickte dem Fedajin zu, der den zu einem Funkzünder umgebauten Piepser in der Hand hielt. Unten auf der Straße ertönte ein dumpfer Knall, und eine senffarbene Rauchwolke wirbelte auf. Als sie sich auflöste, hockte der Israeli noch immer neben dem Hund, doch sein Kopf war vom Rumpf getrennt worden und rollte langsam an den Straßenrand.
    » Hab gar nicht gewusst, dass Honig explodieren kann « , flüsterte der Russe.
    Der schweflige Geruch des verbrannten Bienenwachses drang Martin in die Nase, und er hatte Mühe zu atmen. Nach Luft schnappend, fuhr er im Bett kerzengerade hoch und tupfte sich die schweißnasse Stirn mit einem Zipfel der Decke ab. Sein Herz raste wie verrückt, und hinter den

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