Die Kalte Sofie
kommen, dass ich es noch immer kaum glauben kann.
Die Handschuhe sind gekauft, ebenso wie Einwegspritzen. Die Ampullen habe ich gefüllt.
Seine tägliche Strecke ist in mir eingebrannt, eine unsichtbare Karte aus Hass und Schmerz.
Selbst im Schlaf könnte ich ihn stellen.
Die Kerze erlischt. Behutsam löse ich dein Foto aus dem Rahmen.
Ich weiß, was ich dir schulde, Annamirl. Jetzt musst du nicht mehr länger warten.
1
Endlich wieder dahoam
oder: Presssack-Blues
Z efix! Irgendwie musste diese vermaledeite Leinenhose doch zugehen. Vor ein paar Wochen hatte sie ja noch gepasst.
Kein Wunder. Das war noch vor dem Desaster mit Erik gewesen. Sofie setzte sich auf eine der Umzugskisten und blickte nachdenklich in den riesigen alten Spiegel mit dem geschnitzten Goldrahmen, den sie letztes Jahr in Berlin auf dem Flohmarkt ergattert hatte. Eine hübsche junge Frau sah ihr entgegen, mit einer wilden Mähne dunkelblonder Locken, jadegrünen Augen und zwei verschmitzten Grübchen.
Angeblich brachten die meisten Frauen bei Liebeskummer keinen Bissen mehr hinunter. Dr. Sofie Rosenhuth gehörte definitiv nicht dazu.
Zwei intensive, sehr gemischte Jahre an der Berliner Charité lagen hinter ihr. Endlich hatte sie ihren Doktortitel in der Tasche. Sie hatte an bedeutenden Sektionen teilgenommen, bei der Aufklärung des Falls mit dem Männerkopf im Kochtopf und der mysteriösen Brandleiche in Tegel Wesentliches beigesteuert. Mit ihrem Fachwissen, einer gehörigen Portion Menschenverstand und nicht zuletzt ihrem Münchner Charme hatte sie die Herzen der spröden Preußen im Sturm erobert.
Genutzt hatte es ihr trotzdem nix. Denn ausgerechnet an Dr. Erik Rohrbach, dem Leiter der toxikologischen Abteilung und – nebenbei gesagt – einem unverschämt gut aussehenden, charmanten Mann, war sie so was von zerschellt.
Wie hätte sie auch ahnen können, dass Eriks leidenschaftliche Liebesschwüre nichts als leere Worte waren und er schon längst mit dem Töchterchen des medizinischen Direktors verlobt war?
Sofie atmete energisch durch.
Was vorbei war, war vorbei. Hauptsache, sie war endlich wieder dahoam.
Nicht ganz freiwillig, zugegebenermaßen. Ohne Tante Vronis alarmierenden Anruf würde sie wohl immer noch in Berlin sitzen und ihre Wunden lecken.
Logisch, dass Sofie sofort nach München gerast war, als sie von Vronis Schlaganfall gehört hatte. Tatsächlich aber sah die Tante dann wesentlich besser aus als erwartet, und auch die Prognosen des Hausarztes waren äußerst beruhigend.
Dennoch hatte Vroni nach einem seltsam eindringlichen Blick in Sofies grüne Augen erklärt, dass sie froh sei, ihre geliebte Ziehtochter wieder dauerhaft in der Nähe zu haben. Sie hatte wohl noch mal Schwein gehabt, und der Herrgott, die Jungfrau Maria und alle Heiligen miteinander hatten ihre Hand über sie gehalten. Aber wer konnte schon sagen, ob es das nächste Mal genauso glimpflich ausgehen würde? Sie war ja schließlich auch nicht mehr die Jüngste. Und außerdem war im Rückgebäude eine hübsche Zweizimmerwohnung frei geworden.
Ob das nicht was für Sofie wäre?
Keine leichte Entscheidung.
Sofie wollte nichts lieber, als viele, viele Kilometer zwischen sich und diesen Mistkerl von Erik legen. Aber hatte sie das in einer ähnlichen Situation vor zwei Jahren nicht auch schon einmal gesagt?
Flucht nach vorn – sollte das für immer ihr Lebensmotto sein?
Andererseits hatte sie das Heimweh nach ihrem geliebten Giesing schon lang am Wickel gehabt. Und wenn die Tante sie so dringend brauchte …
Das mit dem Job hier in München war dann nur noch ein Klacks gewesen. Der alte Paungger, ihr netter Professor aus Studienzeiten, hatte Sofie zu ihrer Entscheidung, nach München zurückzukehren, geradezu erleichtert gratuliert und sofort zum Hörer gegriffen.
Vierundzwanzig Stunden später hatte sie die Halbtagsstelle in der Nußbaumstraße fix in der Tasche.
Am Tag darauf knallte sie Erik hocherhobenen Hauptes ihre Kündigung auf den Tisch. Sein fassungsloses Gesicht würde sie so bald nicht vergessen. Mit Engelszungen versuchte er, sie zum Bleiben zu bewegen. Aber sie war hart geblieben.
Gott sei Dank!
Vor drei Tagen hatte sie dann ihre kuschelige neue Bleibe im Hinterhof der Zugspitzstraße bezogen, gerade mal ein paar Schritte von Vronis Wohnung im Vordergebäude entfernt.
So weit also alles bestens.
Blieb immer noch die Frage, was sie nun zu ihrem Einstand im Münchner Institut für Rechtsmedizin anziehen sollte. Sofie stand
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