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Die Kalte Sofie

Die Kalte Sofie

Titel: Die Kalte Sofie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Gruber
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wir bald los.«
    »I spiel doch nur, Mama«, rief Vanessa. »No fünf Minuten!«
    Katrin war wieder bei den Hormonen gelandet. Mit fünf Kilo weniger würde sie vielleicht wieder in das enge rote Kleid passen, das Sebastian so scharf an ihr fand. Klang gar nicht so schlecht, was hier stand. Am besten, sie sagte gar nichts, dann würden ihre beiden Dürrländer vielleicht gar nicht mitkriegen, dass es eigentlich eine Diät war, die sie ihnen vorsetzte …
    Wieso war es auf einmal so merkwürdig still?
    Ihr Blick flog zum Sandkasten, zu der kleinen Gestalt, die hingestreckt dalag.
    Aus Katrins Mund kam ein seltsames Gurgeln. Dann sprang sie auf und rannte zu Vanessa.
    Deren Lippen waren blau, von den Augen war nur noch das Weiße zu sehen. Krampfartige Zuckungen liefen durch den kleinen Körper. Als Katrin sich über sie beugte, war der Atem so schwach, dass er kaum noch zu hören war.
    Sie griff unter ihr Kind und brachte es in die Seitenlage, so viel wusste sie noch vom Erste-Hilfe-Kurs beim Führerschein. Mit zitternden Händen angelte sie ihr Handy aus der Tasche und wählte den Notruf.
    Es waren nur wenige Minuten, und doch kam es ihr wie eine Ewigkeit vor, bis der Rettungswagen endlich eintraf.
    Im Laufschritt kamen die beiden Sanitäter angetrabt, ein Bärtiger mit freundlichen dunklen Augen und ein schmaler Jüngerer, die blonden Haare zum Zopf gebunden.
    »Was ist passiert?«, fragten sie, während sie Vanessas Blutdruck und Puls kontrollierten.
    »Ganz friedlich gespielt hat sie, und auf einmal lag sie so da …« Die Worte kamen Katrin schwer über die Lippen.
    »Hat sie irgendwas gegessen oder getrunken?«
    »Sie hat an den Büschen gespielt und Blätter abgerissen, aber nur so getan, als ob …«
    »Das weiß man bei Kindern nie so genau.« Der Bärtige fasste behutsam in Vanessas Mund. »Da jedenfalls ist nichts mehr drin. Vielleicht muss man ihr den Magen auspumpen. Die Trage, Schorsch!«
    »Wohin bringen Sie sie?« Katrins Beine zitterten so stark, dass sie kaum noch stehen konnte.
    »In die Haunersche Kinderklinik an der Lindwurmstraße. Dort werden sich die Spezialisten um Ihre Tochter kümmern.«
    Auf der Trage sah Vanessa so klein und verloren aus, dass Katrin zu schluchzen begann.
    »Sie ist mein Ein und Alles«, flüsterte sie. »Wenn ihr etwas zustößt …«
    »Kommen Sie!« Der Bärtige ergriff ihren Arm. »Sie fahren vorn mit mir.«

3
    Gelbwurst mit Petersil
    S chuhe, T-Shirts, Blusen. Ja. Aber: keine Hosen.
    Atemlos wühlte Sofie sich durch die bis zur Zimmerdecke gestapelten Umzugskartons mit dem bunten Schriftzug Spedition Gfeiter – Ihr Umzugsfuchs in München-Giesing .
    Irgendwo musste die Kiste mit ihren Hosen doch sein. Nur – wo?
    Unterwäsche. Bettwäsche. Bücher. Geschirr. CD s. Die Stereo anlage. Der Laptop mit dem angebissenen Obst hintendrauf. Die Vorhänge mit dem Rosenmuster.
    Und die Hosen?
    Beim Packen in Berlin hatte ihr jemand geraten, die Kartons zu beschriften, was sie in dem allgemeinen Chaos jedoch schnell wieder gelassen hatte. Leider!
    Sofie beschlich die dumpfe Ahnung, dass sie zumindest für heute eine andere Lösung anpeilen musste.
    In diesem Moment klopfte es an der Wohnungstür.
    »Moment noch!« Hastig pellte Sofie sich aus der unbequemen Leinenhose und schlüpfte in die alte Jeans, mit der sie den Umzug bewerkstelligt hatte.
    Aaah. Endlich wieder atmen! Das hätte sie gleich mal machen sollen.
    Dann öffnete sie die Tür. Vor ihr stand Tante Vroni mit treuherzigem Blick, in der Hand ein Päckchen.
    »Ich hab dir was zurechtgemacht für deinen ersten Arbeitstag. Zwei Butterbrezn. Und dein Lieblingspausebrot: Gelbwurst mit Petersil. Des magst doch so gern!«
    Sofie schluckte, dann lächelte sie gerührt. Ach, ihre Vroni!
    Sie war im ganzen Viertel berüchtigt wegen ihrer spitzen Zunge. Die, die Veronika Ilmberger nicht so gewogen waren, nannten sie hinter vorgehaltener Hand eine Giftwurz, aber unter ihrer rauen Schale schlug ein goldenes Herz.
    Damals, vor dreißig Jahren, als Sofies Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen, war sie es gewesen, die die neunjährige Sofie ohne viel Federlesen bei sich aufgenommen und zusammen mit ihrem Sohn Alois aufgezogen hatte. Tante Vroni war es auch, an deren Hand Sofie das erste Mal das Münchner Institut für Rechtsmedizin betrat. Denn Sofie hatte es sich trotz ihres zarten Alters nicht nehmen lassen wollen, die sterblichen Überreste ihrer Eltern zu sehen. Trauriger hätte der Anlass nicht sein können – dennoch

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