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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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herbei.
Armand war purpurrot, phantasierte und stammelte unzusammenhängende Worte, von denen nur immer wieder der Name Marguerite zu verstehen war.
»Nun?« fragte ich den Arzt, als er den Kranken untersucht hatte.
»Er hat nichts mehr und nichts weniger als eine Gehirnentzündung, und das ist gut, denn ich glaube, Gott verzeihe mir, sonst hätte er den Verstand verloren. Glücklicherweise ist die Krankheit des Körpers heftiger als die Krankheit der Seele. In einem Monat wird er hoffentlich beides überstanden haben.«
     

VII
     
    Krankheiten wie die, von der Armand befallen war, haben das eine für sich, daß sie entweder sofort zum Tode führen oder aber bald überwunden sind.
Zwei Wochen nach den Ereignissen, die ich soeben erzählt habe, war Armand auf dem besten Wege der Genesung. Eine herzliche Freundschaft verband uns beide. Während seiner Krankheit hatte ich kaum je sein Zimmer verlassen. DerFrühling hatte den Überfluß seiner Blumen, seiner Blätter, seiner Vogel und seiner Lieder ausgeschüttet. Das Fenster meines Freundes war geöffnet, und der Garten sandte ihm die köstlichsten Düfte bis in sein Zimmer. Der Arzt hatte ihm erlaubt, aufzustehen. Oft saßen wir um die Mittagsstunde, wenn die Sonne am wärmsten schien, plaudernd an seinem Fenster. Ich hütete mich wohl, von Marguerite zu sprechen. Ich befürchtete, dieser Name würde traurige Erinnerungen, die erst eben durch die Krankheit zur Ruhe gekommen waren, wieder neu beleben. Aber Armand sprach offenbar gerne von ihr, nicht mehr wie früher, unter Tränen, sondern mit einem sanften Lächeln, das mich über seinen Seelenzustand beruhigte.
Ich hatte bemerkt, daß seit seinem letzten Besuch auf dem Friedhof, seit diesem Anblick, der die heftige Krise ausgelöst hatte, der seelische Schmerz durch die Krankheit besiegt worden war und der Tod Marguerites für ihn nicht mehr mit der Vergangenheit zusammenhing. Die Gewißheit hatte ihm Trost gebracht, und um den schrecklichen Eindruck zu verjagen, versenkte er sich oft in die glücklichen Erinnerungen der gemeinsamen Zeit mit Marguerite. Und nur sie schienen noch Gültigkeit für ihn zu haben.
Sein Körper war durch den erlittenen Schock und auch durch das heilende Fieber äußerst erschöpft, und jede heftige Erregung mußte vermieden werden. Der Frühling rundum brachte Armand von selbst auf heitere Gedanken. Er hatte sich hartnäckig geweigert, seine Angehörigen von der Gefahr, in der er schwebte, zu benachrichtigen. Und selbst, als die Krankheit überwunden war, wußte sein Vater noch nichts davon.
Eines Abends waren wir länger als gewöhnlich am Fenster geblieben. Es war ein wundervolles Wetter, und die Sonne ging golden leuchtend am wolkenlosen Himmel unter. Zwar waren wir mitten in Paris, aber die grünen Bäume ringsherum ließen uns die Stadt vergessen, und nur dann und wann störte das Geräusch eines Wagens unsere Unterhaltung. »Um diese Jahreszeit und an einem Abend wie heute habe ich Marguerite kennengelernt«, sagte Armand in Gedanken versunken. Ich antwortete nichts. Dann wendete er sich mir zu und sagte: »Ich muß Ihnen nun alles erzählen. Sie werden ein Buch darüber schreiben. Man wird Ihnen zwar nicht glauben, aber es wird für Sie doch interessant zu schreiben sein.« »Sie werden mir das später einmal erzählen, mein Freund. Noch sind Sie nicht ganz wiederhergestellt«, sagte ich zu ihm.
»Der Abend ist so warm. Ich habe mein Hühnchen gegessen«, entgegnete er lächelnd. »Ich habe kein Fieber mehr. Wir haben nichts vor. Ich möchte Ihnen alles erzählen.« »Nun, wenn Sie wollen, ich höre gerne zu.« »Es ist eine ganz einfache Geschichte«, fuhr er fort. »Ich werde Ihnen die Ereignisse der Reihe nach erzählen. Wenn Sie später einmal alles niederschreiben wollen, steht es bei Ihnen, zu ändern.« Und nun erzählte er mir folgendes. Ich habe kaum das eine oder andere Wort des erschütternden Berichtes geändert.
»Ja, ergriff Armand wieder das Wort und legte seinen Kopf an die hohe Sessellehne - »ja, es war ein Abend wie dieser heute. Ich war tagsüber mit einem meiner Freunde, Gaston R..., auf dem Lande. Abends waren wir nach Paris zurückgekehrt, und da wir nicht wußten, was wir tun sollten, gingen wir ins Varieté. - In einer Pause verließen wir den Saal. Im Foyer ging eine schlanke Dame an uns vorüber. Mein Freund grüßte sie. ,Wen grüßen Sie da?' fragte ich ihn. ,Marguerite Gautier', gab er zur Antwort. ,Sie scheint mir sehr verändert zu sein, denn ich

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