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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Nachricht, ich müßte sie sprechen. Aber ich fürchtete, sie würde, um sich zu rächen, sagen lassen, sie könne mich nicht empfangen. So ging ich nur durch die Rue d'Antin nach Hause. Ich fragte wieder meinen Portier, ob man einen Brief für mich abgegeben habe.
Nichts.
Sie wartet wohl, ob ich weitere Schritte unternehme und meinen Brief von heute nacht widerrufe, sagte ich mir, während ich mich niederlegte. Wenn sie aber merkt, daß ich heute nichts von mir hören ließ, wird sie mir sicher morgen schreiben.
Am Abend bedauerte ich das, was ich angerichtet hatte, besonders. Ich war allein, konnte, von Unruhe und Eifersucht gequält, nicht schlafen und machte mir Vorwürfe, weil ich den Dingen nicht ihren Lauf gelassen hatte. Ich malte mir aus, daß ich bei Marguerite sein könnte und sie mir liebe Worte sagen würde, die ich nur zweimal gehört hatte und die mir in meiner Einsamkeit in den Ohren klangen. Das Schlimmste an meiner Verfassung war, daß ich mir bei vernünftiger Überlegung unrecht geben mußte. Marguerite liebt mich: der Plan, den Sommer mit mir auf dem Lande zu verbringen, die Gewißheit, daß nichts sie zwang, meine Geliebte zu sein, da mein Vermögen ihre Ausgaben nie bestreiten könnte, alles das sprach dafür. Es hatte sie dazu also nur die Hoffnung veranlaßt, in mir eine tiefe Zuneigung zu finden, die ihr Ruhe geben würde nach all ihren erwerbsmäßigen Liebschaften. Und am zweiten Tage zerstörte ich diese Hoffnung. Ich gab mit ungezogener Ironie das Glück zweier Liebesnächte zurück. Was ich getan hatte, war mehr als lächerlich, es war unverzeihlich. Hatte ich diese Frau bezahlt, um ihr Leben tadeln zu dürfen? Erweckte ich nicht den Anschein, als sei ich, da ich mich am zweiten Tage zurückzog, ein Parasit der Liebe, der fürchtet, nicht seine Karte zum Diner zu erhalten? Seit sechsunddreißig Stunden kannte ich Marguerite, seit vierundzwanzig Stunden war ich ihr Geliebter. Und da spielte ich den Empfindlichen! Statt überglücklich zu sein, daß sie meinetwegen teilte, wollte ich alles für mich allein haben. Ich verlangte von ihr, alle Beziehungen, die den Rückhalt ihrer Zukunft bedeuteten, unvermittelt abzubrechen. Was hatte ich ihr vorzuwerfen? Nichts. Sie hatte mir geschrieben, sie fühle sich nicht wohl. Nichts hinderte sie daran, mir mit der den Frauen ihrer Art üblichen Offenheit mitzuteilen, daß sie einen Liebhaber erwartet. Anstatt ihrem Brief zu glauben, den Abend mit meinen Freunden zu verleben und am nächsten Tag zur angegebenen Stunde bei ihr zu sein, spielte ich den Othello, spionierte ihr nach und glaubte, sie zu strafen, wenn ich mich nicht bei ihr blicken ließ. Sie mußte sich ja im Gegenteil über mein Fernbleiben freuen, mußte mich unsagbar dumm finden, und ihr Schweigen war nicht Rache, sondern Verachtung.
Ich hätte Marguerite nun ein Geschenk machen können, das keinen Zweifel an meiner Großmut ließ. Wenn ich sie wie ein ausgehaltenes Mädchen behandelte, könnte ich glauben, ich hätte sie damit hinlänglich entschädigt. Doch schien es mir, ich würde durch die geringste derartige Handlung wenn nicht ihre Liebe zu mir, so doch meine Liebe zu ihr beleidigen. Und da diese Liebe so tief war, daß sie keine Teilung duldete, wie konnte ich durch ein noch so schönes Geschenk das kurze Glück des Genusses ihrer Liebe bezahlen? Das alles beschäftigte in dieser Nacht meine Gedanken. Ich war mehrmals nahe daran, zu Marguerite zu gehen und es ihr zu sagen. Als der Morgen graute, schlief ich noch immer nicht. Ich hatte Fieber. Es war mir unmöglich, an etwas anderes als an Marguerite zu denken. Sie begreifen, ich mußte mich entscheiden und entweder mit dieser Frau endgültig brechen oder aber meine Hemmungen beseitigen und zu ihr gehen, wenn sie mich nach alledem noch empfangen würde. Aber Sie wissen, man schiebt seine Entscheidungen immer wieder hinaus. Da ich es nicht länger zu Hause aushielt und auch nicht wagte, direkt zu Marguerite zu gehen, suchte ich nach einem Weg, mich ihr zu nähern, einem Weg, der meiner Eigenliebe den Vorwand eines Zufalls gestattete, wenn ich Erfolg haben sollte.
Es war neun Uhr. Ich begab mich zu Prudence. Sie fragte mich, was der Grund meines frühen Besuches sei. Ich wagte nicht, ihr offen zu sagen, was mich herführte. Ich antwortete ihr also, daß ich so früh ausgegangen sei, um einen Platz in der Postkutsche nach C... zu belegen. Dort lebte mein Vater. ,Sie sind zu beneiden, weil Sie Paris in dieser heißen Jahreszeit

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