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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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menschliche Wesen bist, das Mitleid mit mir hatte. Ich hatte einmal einen kleinen Hund. Wenn ich hustete, dann sah er mich immer mit traurigen Augen an. Er war das einzige Wesen, das ich bisher geliebt habe. Als er starb, habe ich mehr geweint als beim Tode meiner Mutter. Sie hat mich auch zwölf Jahre meines Lebens nur geschlagen.
Nun: dich habe ich gleich ebenso geliebt wie meinen kleinen Hund. Wenn die Männer wüßten, was sie mit einer Träne erreichen können, würden wir sie mehr lieben und wären ihnen weniger kostspielig. Dein Brief hat dir selbst widersprochen. Er enthüllt mir, daß dir das rechte Herzensverständnis fehlt. Er hat dich mehr in Unrecht gesetzt als alles, was du mir sonst hättest antun können. Es war Eifersucht, natürlich, aber ironische und ungezogene Eifersucht. Ich war schon betrübt, als ich deinen Brief erhielt. Ich rechnete damit, dich zum Mittagessen bei mir zu sehen. Ich hoffte, dein Anblick würde einen Gedanken verscheuchen, der mich schon sehr lange quält. Dann', fuhr Marguerite fort, ,warst du der einzige Mensch, dem gegenüber ich mir keinen Zwang auferlegen mußte. Ich fühlte sofort, daß ich mich so geben könnte, wie ich bin. Alle, die mit Mädchen meiner Art Umgang haben, sind nur darauf bedacht, jedes Wort zu ihrem Vorteil auszulegen. Wir wissen nicht, was das ist: einen wahren Freund zu haben. Wir kennen nur egoistische Liebhaber, die ihr Geld nicht für uns ausgeben, wie sie immer sagen, sondern für ihre Eitelkeit. Für diese Menschen müssen
wir heiter sein, wenn sie es so wollen, müssen uns wohl fühlen, wenn sie ein Abendessen arrangieren, müssen skeptisch sein, wenn sie es sind. Wir dürfen kein Herz haben, weil wir sonst verhöhnt werden und keinen Erfolg mehr haben. Wir gehören uns selbst nicht mehr. Wir sind keine Wesen mehr, sondern nur noch Sachen. Wir sind die Ersten in ihrer Eigenliebe und die Letzten in ihrer Achtung. Wir haben Freundinnen, aber das sind Freundinnen wie Prudence. Frauen, die früher ausgehalten wurden und die nun ihr Alter bedauern, weil es ihnen nichts mehr erlaubt. Dann werden sie unsere Freundinnen oder besser unsere Tischgenossinnen. Ihre Freundschaft reicht bis zur Dienstbarkeit, niemals aber bis zur Uneigennützigkeit. Sie geben nur Ratschläge, die auch ihnen etwas einbringen. Es ist ihnen völlig gleich, ob wir zehn Geliebte haben oder zwanzig, wenn nur Kleider oder Armbänder für sie abfallen, wenn sie nur in unserem Wagen mitfahren können und dann und wann unsere Theaterlogen benützen dürfen. Sie bekommen unsere Blumen und leihen sich unsere Schals. Sie erweisen uns nie einen Gefallen, und sei er noch so klein, ohne ihn sich doppelt bezahlen zu lassen. Du hast es selbst miterlebt an dem Abend, als sie mir das Geld brachte, die sechstausend Francs, die sie auf meine Bitte vom Herzog geholt hatte. Sie hat sich gleich fünfhundert Francs geliehen. Die werde ich nie wiedersehen, oder sie bringt mir dafür Hüte, die ich nie aus dem Karton herausnehmen werde. Wir oder besser: ich kenne nur eine Freude, die, weil ich oft traurig und fast immer leidend bin, darin besteht, daß ich einen Mann finde, der erhaben über allem steht und nicht Rechenschaft über mein Leben verlangt, der mehr der Geliebte meiner Seele als der meines Körpers ist. Diesen Mann fand ich im Herzog. Aber der Herzog ist alt, und das Alter bietet einem nur wenig Trost. Ich glaubte, so leben zu können, wie er es gerne wollte. Aber was kann ich dafür? Ich starb vor Langeweile. Und wenn man nicht mehr leben will, kann man sich ebensogut in eine Feuersbrunst werfen, wie sich
mit Kohlengas vergiften.
Da bin ich dir begegnet, du warst jung, leidenschaftlich, glücklich, und ich glaubte, du seiest der Mann, den ich mir so glühend in meiner Verlassenheit wünschte. Ich liebte an dir nicht das, was du warst, sondern das, was aus dir werden könnte. Du wolltest diese Rolle nicht spielen, du wiesest sie zurück, als sei sie deiner unwürdig. Du bist ein ganz gewöhnlicher Liebhaber. Mache es wie die anderen, bezahle mich, und dann reden wir nicht mehr darüber.'
Marguerite war durch dieses lange Geständnis ermüdet. Sie lehnte sich zurück. Um einen leichten Husten zu unterdrücken, führte sie das Taschentuch an den Mund und an die Augen. ,Verzeih mir, verzeih mir', murmelte ich, ,ich wußte, was du wolltest, aber ich wollte es aus deinem Munde hören, meine geliebte Marguerite. Vergessen wir alles, und denken wir nur noch daran, daß wir einander gehören

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