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Die Kameliendame

Die Kameliendame

Titel: Die Kameliendame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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Sie da sagen.'
,Wie hübsch Ihre Wohnung ist', entgegnete Prudence mir, ,darf ich mir Ihr Schlafzimmer ansehen?' ,Ja, bitte.'
Prudence ging in mein Schlafzimmer, weniger, um es sich anzusehen, als um Marguerite und mich allein zu lassen und ihre Dummheit wieder gutzumachen.
,Warum haben Sie Prudence mitgebracht?' fragte ich. ,Weil sie mit mir im Theater war und ich Begleitung haben wollte, wenn ich von hier fortgehe.' ,Bin ich nicht da?'
,Doch. Aber einmal wollte ich Sie nicht bemühen, und dann hätten Sie mich auch sicher an meiner Türe gefragt, ob Sie mit zu mir hinaufkommen dürfen. Das könnte ich nicht erlauben und wollte nicht, daß Sie mit dem berechtigten Vorwurf abreisen, ich hätte Ihnen etwas verweigert.' ,Und warum können Sie es nicht erlauben?' ,Weil ich zu müde bin. Und weil Sie mir mit dem geringsten Verdacht das größte Unrecht antun würden.' ,Ist das der einzige Grund?' ,Wenn es noch einen anderen gäbe, würde ich ihn sagen. Wir kennen uns zu gut, um Geheimnisse voreinander zu haben.'
,Marguerite, ich will nicht viel Umwege suchen, um Ihnen zu sagen, was ich gerne sagen möchte. Ich will Sie nur fragen: Lieben Sie mich ein wenig?' ,Sehr.'
,Warum haben Sie mich dann betrogen?' ,Mein lieber Freund, wäre ich die Frau Herzogin persönlich und hätte ich Zweihunderttausend Francs Einkommen, wäre ich unter diesen Umständen Ihre Geliebte und hätte Sie betrogen, dann hätten Sie ein Recht, mich nach dem Warum zu fragen. Aber so bin ich nur Fräulein Gautier; ich habe vierzig-tausend Francs Schulden, nicht einen Sous Vermögen und verbrauche hunderttausend Francs im Jahr. Da ist Ihre Frage überflüssig und meine Antwort unnötig.' .Das ist wahr', antwortete ich und ließ meinen Kopf auf Marguerites Knie sinken. ,Aber ich liebe Sie wie ein Verzweifelter.'
,Mein Freund, Sie müssen mich etwas weniger lieben und
mich ein wenig besser verstehen. Ihr Brief hat mir sehr weh getan. Wenn ich frei wäre, hätte ich den Grafen vorgestern nicht empfangen. Oder ich hätte Sie doch um Verzeihung gebeten, wie Sie es eben taten. Und in Zukunft hätte ich außer Ihnen keinen Geliebten. Einen Augenblick lang glaubte ich, ich dürfe dieses Glück sechs Monate erleben. Sie wollten es nicht. Sie wollten unbedingt wissen, wie ich das ermöglichen will. Mein Gott, das ist leicht zu erraten. Es kostet mich viel größere Opfer, als Sie glauben. Ich hätte zu Ihnen sagen können: Ich benötige zwanzigtausend Francs. Sie hätten alles getan, um sie mir zu bringen, und mir das vielleicht eines Tages vorgeworfen. Ich habe es vorgezogen, Ihnen nichts schulden zu müssen. Sie haben dieses Zartgefühl nicht verstanden. Wir, wir geben, wenn wir ein wenig Herz haben, den Worten und den Dingen eine Bedeutung und eine Weite, die andere Frauen nicht kennen. Ich sage Ihnen noch einmal, daß Marguerite Gautier sehr zartfühlend vorging, um ein Mittel zu finden, ihre Schulden zu zahlen, ohne Sie um das notwendige Geld bitten zu müssen. Sie sollten dies ohne ein Wort des Vorwurfes gelten lassen. Wenn Sie mich erst seit heute kennen würden, wären Sie sehr glücklich und würden mich nicht fragen, was ich vorgestern tat. Wir sind manchmal gezwungen, unserer Seele etwas auf Kosten unseres Körpers zu erkaufen. Und wir leiden dann sehr viel mehr darunter, wenn diese Freude uns nachher versagt wird.' Ich hörte Marguerite zu und betrachtete sie bewundernd. Wenn ich daran dachte, daß dieses wundervolle Wesen, dessen Füße ich noch gestern heiß zu küssen wünschte, mir ein wenig Raum in ihren Gedanken einräumte, daß ich in ihrem Leben eine kleine Rolle spielte, daß ich damit nicht zufrieden war und noch mehr wollte, als sie mir gab, dann fragte ich mich, ob das Verlangen des Mannes nicht auch Grenzen kennt, und wie es möglich ist, daß er, sobald er wie ich Erfüllung sieht, noch nach anderen Dingen greift. ,Es ist wahr', fuhr sie fort, ,wir Wesen des Zufalls, wir
haben phantastische Wünsche und unbegreifliche Sehnsüchte. Wir geben uns bald für das eine, bald für das andere hin. Es gibt Menschen, die sich für uns zugrunde richten, ohne dafür belohnt zu werden. Anderen wieder schenken wir uns für einen Blumengruß. Unser Herz ist launisch. Das ist seine einzige Zerstreuung und die einzige Entschuldigung für unser Leben. Ich habe mich dir viel schneller geschenkt als irgendeinem anderen Mann. Das schwöre ich. Warum? Weil du, als ich Blut hustete, meine Hand genommen hast, weil du geweint hast, weil du das einzige

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