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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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netten Leuten, ihm seine Bitte zu erfüllen, ein letztes Mal einen Sonnenaufgang sehen zu dürfen. Er hatte seit neuneinhalb Jahren keinen mehr gesehen, und zuerst hatte Nugent nein gesagt. Dann hatte Packer interveniert und dem Colonel erklärt, das wäre okay, mit keinerlei Sicherheitsrisiko verbunden, und schließlich sollte der Mann in vier Tagen sterben. Packer würde die Verantwortung dafür übernehmen.
    Sam starrte auf den Himmel im Osten, wo hinter aufgerissenen Wolken ein Anflug von Orange zum Vorschein kam. Zu Beginn seiner Zeit im Todestrakt, als seine Berufungen noch frisch waren und die Gerichte noch nicht über sie entschieden hatten, hatte er viele Stunden damit verbracht, sich an die grandiosen Belanglosigkeiten des täglichen Lebens zu erinnern, Kleinigkeiten wie jeden Tag eine heiße Dusche, die Gesellschaft seines Hundes, extra Honig auf seinem Toast. Damals hatte er tatsächlich geglaubt, daß er eines Tages wieder Eichhörnchen und Wachteln jagen könnte, Barsche und Brassen angeln, auf der Veranda sitzen und zuschauen, wie die Sonne aufging, in der Stadt Kaffee trinken und mit seinem alten Pickup umherfahren, wann immer er wollte. Sein größter Wunsch in diesen Fantasien während der ersten Zeit im Todestrakt war gewesen, nach Kalifornien zu fliegen und seine Enkelkinder zu suchen. Er war noch nie geflogen.
    Aber die Träume von Freiheit waren vor langer Zeit gestorben, vertrieben von der qualvollen Monotonie des Lebens in einer Zelle und zerstört von den harten Entscheidungen zahlreicher Richter.
    Dies würde sein letzter Sonnenaufgang sein, da war er ganz sicher. Zu viele Leute wollten seinen Tod. Die Gaskammer wurde nicht oft genug benutzt. Es wurde Zeit, daß wieder eine Hinrichtung stattfand, verdammt noch mal, und er war der nächste auf der Liste.
    Der Himmel wurde heller, und die Wolken lösten sich auf. Obwohl er gezwungen war, dieses grandiose Schauspiel der Natur durch einen Maschendrahtzaun hindurch zu beobachten, war es befriedigend. Nur noch ein paar Tage, und es würde für ihn keine Zäune mehr geben. Gitterstäbe, Stacheldraht und Gefängniszellen blieben anderen überlassen.
    Vor dem Südeingang des Kapitols warteten am frühen Samstagmorgen zwei Reporter und rauchten und tranken Kaffee aus der Maschine. Sie hatten gerüchteweise erfahren, daß der Gouverneur einen langen Tag im Büro zu verbringen und sich mit der Cayhall-Sache herumzuschlagen gedachte.
    Um halb acht hielt sein schwarzer Lincoln ganz in der Nähe an, und er stieg rasch aus. Zwei unauffällige Leibwächter eskortierten ihn zum Eingang; Mona Stark folgte ein paar Schritte hinter ihm.
    »Gouverneur, haben Sie vor, der Hinrichtung beizuwohnen?« fragte der erste Reporter hastig. McAllister lächelte und hob die Hände, als ob er nur zu gern stehenbliebe und sich mit ihnen unterhielte, die Lage dafür aber viel zu kritisch wäre. Dann sah er, daß am Hals des anderen Reporters eine Kamera hing.
    »Ich habe noch keine Entscheidung getroffen«, erwiderte er, für nur eine Sekunde stehenbleibend.
    »Wird Ruth Kramer bei der Anhörung am Montag aussagen?«
    Die Kamera wurde erhoben und war bereit. »Das kann ich im Moment noch nicht sagen«, erwiderte er, in die Linse lächelnd. »Tut mir leid, Leute, ich kann jetzt nicht reden.«
    Er betrat das Gebäude und fuhr mit dem Fahrstuhl in sein Büro im ersten Stock. Die Leibwächter bezogen ihre Stellungen im Foyer, hinter den Morgenzeitungen.
    Anwalt Larramore wartete mit dem neuesten Stand der Dinge. Er informierte den Gouverneur und Mona Stark, daß sich seit siebzehn Uhr gestern nachmittag hinsichtlich der verschiedenen Cayhall-Klagen und Eingaben nichts verändert hatte. Über Nacht war nichts passiert. Die Eingaben wurden immer verzweifelter, und er war überzeugt, daß die Gerichte sie jetzt schneller abweisen würden. Er hatte bereits mit Morris Henry im Büro des Justizministers gesprochen, und Dr. Deaths geschätztem Urteil zufolge lag die Chance, daß die Hinrichtung stattfinden würde, jetzt bei achtzig Prozent.
    »Was ist mit der Anhörung am Montag? Haben sich Cayhalls Anwälte dazu geäußert?« fragte McAllister.
    »Nein. Ich habe Garner Goodman gebeten, heute morgen gegen neun vorbeizukommen. Dachte, wir sollten mit ihm darüber reden. Ich bin in meinem Büro, falls Sie mich brauchen sollten.«
    Larramore verschwand. Mona Stark widmete sich ihrer alltäglichen Pflicht, indem sie die Tageszeitungen überflog, um sie dann auf den Konferenztisch zu legen.

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