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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Büro. Dann saß er eine halbe Stunde auf den Eingangsstufen und sah zu, wie die Männer vom Klan sich formierten und Neugierige anzogen.
42
    O bwohl er in wesentlich jüngeren Jahren selbst eine weiße Kutte und eine spitze Kapuze getragen hatte, hielt Donnie Cayhall Abstand von den Klan-Angehörigen, die auf dem Grasstreifen vor dem Eingang von Parchman patrouillierten. Es waren strenge Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden; bewaffnete Wärter behielten die Protestierenden im Auge. Neben dem Baldachin, unter dem sich die Männer vom Klan versammelten, stand eine kleine Gruppe von Skinheads in braunen Hemden. Sie hielten Transparente hoch, auf denen Freiheit für Sam Cayhall gefordert wurde.
    Donnie betrachtete das Spektakel einen Moment, dann folgte er den Anweisungen eines Wärters und parkte am Rand des Highways. In der Wachstation wurde sein Name überprüft, und ein paar Minuten später kam ein Gefängnistransporter und holte ihn ab. Sein Bruder saß seit neuneinhalb Jahren in Parchman, und Donnie hatte versucht, ihn wenigstens einmal im Jahr zu besuchen. Aber der letzte Besuch lag jetzt schon zwei Jahre zurück, wie er sich beschämt eingestand.
    Donnie Cayhall war einundsechzig, der jüngste der vier Cayhall-Brüder. Alle waren dem Vorbild ihres Vaters gefolgt und hatten sich als Teenager dem Klan angeschlossen. Es war eine simple Entscheidung gewesen, die nicht viel Nachdenken erforderte und mit der die ganze Familie selbstverständlich rechnete. Später war er in die Armee eingetreten, hatte in Korea gekämpft und war in der Welt herumgereist. In dieser Zeit hatte er das Interesse daran verloren, weiße Kutten zu tragen und Kreuze zu verbrennen. 1961 hatte er Mississippi verlassen und eine Stellung in einer Möbelfabrik in North Carolina angenommen. Jetzt wohnte er in der Nähe von Durham.
    Seit neuneinhalb Jahren hatte er Sam jeden Monat ein Paket mit Zigaretten und ein wenig Geld geschickt. Er hatte ein paar Briefe geschrieben, aber weder ihm noch Sam lag viel an Korrespondenz. Nur wenige Leute in Durham wußten, daß er einen Bruder im Todestrakt hatte.
    Am Eingangstor wurde er durchsucht und dann ins vordere Büro gewiesen. Ein paar Minuten später wurde Sam gebracht, und man ließ sie allein. Donnie hielt ihn lange Zeit in den Armen, und als sie sich voneinander lösten, hatten beide feuchte Augen. Sie ähnelten einander in Größe und Körperbau, aber Sam sah zwanzig Jahre älter aus. Er setzte sich auf die Schreibtischkante, und Donnie ließ sich auf einem Stuhl in seiner Nähe nieder.
    Beide zündeten sich eine Zigarette an und schauten ins Leere. »Irgendwelche guten Neuigkeiten?« fragte Donnie schließlich, obwohl er wußte, welche Antwort er erhalten würde. »Nein. Keine. Die Gerichte weisen alles ab. Sie werden es tun, Donnie. Sie werden mich töten. Sie werden mich in die Kammer bringen und mich vergasen wie ein Tier.«
    Donnies Gesicht sank auf seine Brust. »Es tut mir leid, Sam.«
    »Mir tut es auch leid, aber ich werde froh sein, wenn es vorüber ist.«
    »Sag das nicht.«
    »Es ist mein voller Ernst. Ich habe es satt, in einem Käfig leben zu müssen. Ich bin ein alter Mann, und meine Zeit ist gekommen.«
    »Aber du hast es nicht verdient, getötet zu werden, Sam.«
    »Das ist das Schwerste daran. Nicht, daß ich sterben muß. Sterben müssen wir schließlich alle. Ich kann einfach den Gedanken nicht ertragen, daß diese Mistkerle die Oberhand behalten. Sie werden gewinnen. Und ihre Belohnung besteht darin, daß sie mich anschnallen und zuschauen, wie ich ersticke. Es ist zum Kotzen.«
    »Kann dein Anwalt denn nichts dagegen tun?«
    »Er versucht alles Erdenkliche, aber es ist hoffnungslos. Ich möchte, daß du ihn kennenlernst.«
    »Ich habe sein Foto in der Zeitung gesehen. Er sieht unseren Leuten nicht ähnlich.«
    »Sein Glück. Ist mehr nach seiner Mutter geraten.«
    »Kluger Junge?«
    Sam brachte ein Lächeln zustande. »Ja, er ist großartig. Er nimmt sich das alles sehr zu Herzen.«
    »Wird er heute kommen?«
    »Wahrscheinlich. Ich weiß es noch nicht. Er wohnt in Memphis bei Lee«, sagte Sam mit einem Anflug von Stolz. Seinetwegen waren seine Tochter und sein Enkel sich nahegekommen und lebten sogar friedlich beisammen.
    »Ich habe heute morgen mit Albert gesprochen«, sagte Donnie. »Er hat gesagt, er ist zu krank, um herzukommen.«
    »Gut. Ich will ihn nicht hier haben. Und seine Kinder und Enkelkinder auch nicht.«
    »Er wollte dir seine Aufwartung machen, aber er kann

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