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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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nicht.«
    »Sag ihm, er soll sich das für die Beerdigung aufsparen.«
    »Also, Sam...«
    »Niemand wird um mich weinen, wenn ich tot bin. Und auf einen Haufen falsches Mitgefühl vorher kann ich verzichten. Ich brauche etwas von dir, Donnie. Und es kostet ein bißchen Geld.«
    »Klar. Was immer du haben möchtest.«
    Sam zupfte an der Taille seines roten Overalls. »Sieh dir dieses verdammte Ding an. Das habe ich seit fast zehn Jahren jeden Tag getragen. Und der Staat Mississippi erwartet von mir, daß ich es auch trage, wenn er mich tötet. Aber ich habe das Recht, zu tragen, was immer ich will. Es würde sehr viel für mich bedeuten, wenn ich in ein paar anständigen Sachen sterben könnte.«
    Donnie wurde plötzlich von Gefühlen überwältigt. Er wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort heraus. Seine Augen waren feucht, und seine Lippen bebten. Er nickte, dann gelang ihm so gerade eben ein »Natürlich, Sam«.
    »Kennst du diese Arbeitshosen, die man Dickies nennt? Ich habe sie viele Jahre getragen. Sie sind aus einer Art Khakistoff.«
    Donnie nickte immer noch.
    »So eine Hose wäre schön, dazu irgendein weißes Hemd, keins, das man über den Kopf zieht, sondern eins mit Knöpfen. Kleines Hemd, kleine Hose, Bundweite achtzig. Ein Paar weiße Socken und irgendwelche billigen Schuhe. Schließlich werde ich sie nur einmal tragen. Geh in einen Wal-Mart oder so was Ähnliches, da bekommst du das ganze Zeug wahrscheinlich für weniger als dreißig Dollar. Würde dir das etwas ausmachen?«
    Donnie wischte sich die Augen und versuchte zu lächeln. »Nein, Sam.«
    »Ich werde pickfein aussehen, meinst du nicht auch?«
    »Wo willst du begraben werden?«
    »In Clanton, neben Anna. Ich bin sicher, das wird sie in ihrer Ruhe nicht stören. Adam kümmert sich darum.«
    »Was kann ich sonst noch für dich tun?«
    »Nichts. Wenn du mir nur die Sachen besorgst.«
    »Das mach ich gleich heute.«
    »Du bist der einzige Mensch auf der Welt, der sich all die Jahre um mich gekümmert hat, weißt du das? Tante Barb hat mir jahrelang geschrieben, bevor sie starb, aber ihre Briefe waren immer steif und trocken, und ich hatte immer das Gefühl, daß sie sie nur schrieb, damit sie ihren Nachbarinnen davon erzählen konnte.«
    »Wer zum Teufel war Tante Barb?«
    »Hubert Cains Mutter. Ich weiß nicht einmal, wie sie mit uns verwandt war. Ich kannte sie kaum, bevor ich hierher kam, dann schrieb sie mir diese fürchterlichen Briefe. Sie konnte es einfach nicht fassen, daß einer aus der Familie in Parchman sitzt.«
    »Möge sie in Frieden ruhen.«
    Sam kicherte, und ihm fiel eine alte Geschichte aus ihrer Kindheit wieder ein. Er erzählte sie mit voller Begeisterung, und Minuten später brachen beide Brüder in lautes Lachen aus. Donnie fiel eine andere Geschichte ein, und so ging es eine Stunde lang weiter.
    Als Adam am späten Samstagnachmittag eintraf, war Donnie bereits seit Stunden fort. Er wurde ins vordere Büro geführt, wo er einige Papiere auf dem Schreibtisch ausbreitete. Man brachte Sam herein und befreite ihn von seinen Handschellen, dann wurde die Tür abgeschlossen. Adam merkte sofort, daß er weitere Briefumschläge mitgebracht hatte.
    »Noch mehr Aufträge für mich?« fragte er argwöhnisch.
    »Ja, aber sie haben Zeit, bis es vorbei ist.«
    »An wen?«
    »Einer an die Familie Pinder in Vicksburg, deren Haus ich in die Luft gejagt habe. Einer an die Syna goge, die ich in Jackson gesprengt habe. Einer an den jüdischen Grundstücksmakler, gleichfalls in Jackson. Kann sein, daß noch mehr kommen. Aber es hat keine Eile, ich weiß, wie viel du im Moment zu tun hast. Aber ich wäre dir dankbar, wenn du dich darum kümmern würdest, wenn ich nicht mehr da bin.«
    »Was steht in diesen Briefen?«
    »Was denkst du denn?«
    »Ich weiß es nicht. Daß es dir leid tut, nehme ich an.«
    »Kluger Junge. Ich entschuldige mich für meine Untaten, bereue meine Sünden und bitte sie um Verzeihung.«
    »Warum tust du das?«
    Sam lehnte sich an einen Aktenschrank. »Weil ich den ganzen Tag in einem Käfig sitze. Weil ich eine Schreibmaschine habe und massenhaft Papier. Ich langweile mich zu Tode, vielleicht schreibe ich deshalb. Weil ich ein Gewissen habe, kein sonderlich großes, aber es ist da, und je näher der Tod heranrückt, desto schuldiger fühle ich mich wegen der Dinge, die ich getan habe.«
    »Tut mir leid. Ich werde sie abliefern.« Adam kreiste etwas auf seiner Checkliste ein. »Wir haben noch zwei Eingaben laufen. Das

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